Digitalisierung – wie wir eine noch Smartere City werden können

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Wie unsere Städte aussehen, wird bestimmt durch unsere Ökonomie. Als mit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert der Wandel von einer Agrar- zur Industriegesellschaft eingeleitet wurde, dominierten qualmende Fabrikschornsteine vielerorts die Stadtpanoramen. In Neu-Isenburg entstand in den 1920er Jahren eine Produktionsstätte der ersten fotochemischen Fabrik der Welt: die ADOX-Werke. Heute, etwa 100 Jahre später, hat sich unsere Gesellschaft stark verändert, weg von der Industrie- und hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft. Produziert wird in Deutschland immer weniger, in unseren Gewerbegebieten finden wir hauptsächlich Büros. Wer sich hier ansiedelt, ist kaum noch an einen festen Standort gebunden, kann sehr leicht die Laptops zuklappen und den kompletten Firmensitz verlegen. Das verschärft die Konkurrenzsituation zwischen den Städten, denn die Gewerbesteuereinnahmen der ortsansässigen Unternehmen sind für viele Kommunen die wichtigste Einnahmequelle und ermöglichen die Finanzierung von Kinderbetreuung, Kultur, Stadtentwicklung – genau den Faktoren, die eine Stadt wiederum als Wohnort für potentielle Mitarbeiter attraktiv machen.

Wo einst unter dem Label ADOX, später DuPont und Agfa, Filme und Fotoplatten produziert wurden, befindet sich heute eine riesige Baustelle. Hier entsteht ein ganz neues Stadtquartier, die ‚Neue Welt‘. Diese Welt soll Pilotquartier für ‚Smart City’ werden. Aber was ist das überhaupt und was bringt es für Neu-Isenburg? 

Smart City ist ein Sammelbegriff für Konzepte, wie wir mit Hilfe der Digitalisierung unsere Stadt effizienter, technologisch fortschrittlicher, ökologischer und sozial inklusiver gestalten können. In Neu-Isenburg gibt es dafür eine verwaltungsinterne und eine parlamentarische Arbeitsgruppe, in diesen Teams werden Ideen besprochen, priorisiert und auf Umsetzbarkeit geprüft. Wichtig ist dabei immer der praktische Nutzen für die Bürger der Stadt. Seit Juli 2022 beschäftigt die Stadtverwaltung den Smart City Manager Thomas Rost, Dezernent für Digitalisierung und Smart City ist seit April 2022 Andreas Frache.

Was haben wir schon?

Die Digitalisierung der Verwaltung ist im Gange

Das Onlinezugangsgesetz (OZG) verpflichtet Bund, Länder und Kommunen, sämtliche Verwaltungsleistungen digital zugänglich zu machen. 2021 wurde Neu-Isenburg als Modellkommune ausgewählt, um digitale Prozesse zu entwickeln und zu erproben. Zahlreiche Leistungen sind bereits online verfügbar, eine Übersicht gibt es hier. Neu-Isenburg ist auf einem sehr guten Weg, sollte aber weiterdenken und mit einer Datenplattform einen echten Mehrwert für das tägliche Leben schaffen. 

Medienturm und Infotafeln an der Hugenottenhalle

Den Turm vor der Hugenottenhalle mit den Programmhinweisen kennen wir alle. Mit der Umstellung auf digitale Anzeigetafeln im Sommer 2023 sparen wir die Kosten und den Aufwand, für jede Veranstaltung eine Tafel bedrucken und mit Hebebühne am acht Meter hohen Turm anbringen zu lassen. Außerdem kann die Werbung für die Veranstaltungen beliebig um weitere Informationen für Bürger erweitert werden, wie Verkehrshinweise, Umweltparameter oder Instruktionen im Falle einer Krise. Ein sinnvolles Projekt!

Automatische Baumbewässerung mit AWAtree

Die Firma AWAtree stellt Sitzbänke her, die gleichzeitig als Wasserreservoir für Bäume in der Stadt dienen. Um die benötigte Wassermenge zu ermitteln, die dann automatisch freigesetzt wird, werden Sensoren eingesetzt und Wetterdaten ausgewertet. Im Birkengewann wurde im Sommer 2022 ein Pilotprojekt mit drei Bänken gestartet. Erstes positives Feedback gibt es bereits: Die drei digital bewässerten Bäume haben die Hitzeperiode im Sommer besser überstanden als ihre nur mit Wasserbeutel ausgestatteten Artgenossen. Ob damit auch eine Kostenersparnis verbunden ist, wird die Erprobungsphase zeigen. Am aktuellen Standort, mitten auf einer Wiese mit sehr kleinen Bäumchen, werden die Wasser-Bänke vermutlich nicht zum Verweilen genutzt. In der Innenstadt, zum Beispiel in der Frankfurter Straße, könnte es funktionieren.

App-Parken in städtischen Tiefgaragen

Im Sommer 2022 startete die Installation von Parkster in den drei städtischen Tiefgaragen an der Hugenottenhalle, an der Fußgängerzone/Luisenstraße und in der Ludwigstraße. Wer die App installiert hat, kann ohne Parkschein und ohne Kleingeld parken. Dazu wird das Autokennzeichen in der App hinterlegt , bezahlt wird entweder monatlich per Rechnung oder durch Abbuchung über die Kreditkarte. Praktisch ist, dass die Parkzeit auch von unterwegs über die App verlängert werden kann. Derzeit wird die Möglichkeit der Kennzeichenerkennung geprüft, so könnte der Parkvorgang automatisch gestartet und beendet werden, ohne die App zu öffnen. Siehe hierzu unseren Artikel zum digitalen Parken vom Mai 2021.

Und außerdem

Neu-Isenburg bietet im Stadtgebiet 26 kostenlose WLAN-Hotspots und ist fast komplett mit Glasfaseranschlüssen ausgestattet (der Buchenbusch fehlt noch).

Und was könnten wir haben?

Hier ein paar unserer Ideen für den Einsatz digitaler Technologien:

Parkleitsystem im Alten Ort

Über die schwierige Parksituation und die dazugehörige Parkraumanalyse berichteten wir bereits im November 2022. Wir sind der Meinung, ein Parkleitsystem für den Alten Ort könnte die Situation dort deutlich entspannen, da besonders der Parksuchverkehr eine Belastung für Anwohner und Außengastronomie darstellt. Die Parkplätze in den Gassen könnten einfach und für wenig Geld mit aufgeklebten Sensoren ausgestattet werden. Eine Anzeigetafel am Eingang jeder Gasse würde anzeigen, wie viele freie Parkplätze im ganzen Alten Ort noch zur Verfügung stehen. Durch den prägnanten sternförmigen Grundriss liesse sich sogar einfach visualisieren, in welchen Gassen noch etwas frei ist – einfach mit dem stilisierten Stern und einer roten und einer grünen LED für jede Gasse. 

Open Library

Die Stadtbibliothek und die Hugenottenhalle sollen zu einem modernen Kultur- und Bildungszentrum umgebaut werden – einem Wohnzimmer für die ganze Stadt. Baubeginn ist allerdings frühestens 2026. Wer vorher in der Bibliothek sein Wohnzimmer finden möchte, muss sich an die Öffnungszeiten halten. Ein Konzept namens ‚Open Library‘ will nun die Stadtbücherei Frankfurt testen. Gesteuert durch eine App und/oder RFID-Technologie am Eingang können die Räume außerhalb der personalbesetzten Zeiten geöffnet und genutzt werden. Diese Möglichkeit besteht nur für registrierte Nutzer, also Inhaber eines Bibliotheksausweises. Auch für Vereine oder Lerngruppen kann ein Zugang eingerichtet werden. Durch diese Nachverfolgbarkeit kann – ggf. in Verbindung mit einer Kameraüberwachung – Vandalismus vorgebeugt werden. 

Bibliotheken gewinnen zunehmend an Bedeutung als Orte der Information, der Kommunikation und des konsumfreien Aufenthalts. Da die Neu-Isenburger Bibliotheken außerdem seit 2022 mit kontaktlosen RFID-Selbstbedienungsterminals ausgestattet sind, wäre die zusätzliche Öffnung unserer Meinung nach eine konsequente und sinnvolle Weiterentwicklung.

Mobilitätsdaten und Big Data nutzen

Rund 90% alle Deutschen verfügen inzwischen über ein Smartphone. Die anonymisierten Bewegungsdaten einzelner Mobilfunkanbieter können über verschiedene Dienstleister bereitgestellt und ausgewertet werden. Das würde nicht nur der Neu-Isenburger Wirtschaftsförderung zeigen, welche Geschäfte zu welchen Zeiten frequentiert werden. Auch im Bereich Verkehr und Mobilität können wichtige Erkenntnisse gewonnen werden: Wer bewegt sich wann und wie schnell? Wo kommt die Person her und wo fährt sie hin? Oder konkret für Neu-Isenburg: Welchen Einfluss hat Tempo 30 in der Frankfurter Straße auf den fließenden Verkehr? Wie werden die Fahrradstraßen angenommen? Wo kommt es zu Verzögerungen, wie kann der Verkehrsfluss optimiert werden?

Die Analyse großer Datenmengen kann beispielsweise auch den Einsatz des Winterdienstes in der Stadt optimieren. So stellen bereits einige Autohersteller mit Zustimmung ihrer Kunden die Daten der ESP- und ABS-Sensoren über rutschige Wetterverhältnisse inklusive Standort in einer Cloud zu Verfügung. Kombiniert mit Daten des Deutschen Wetterdienstes und unserer eigenen Wetterstation können sehr gezielt Maßnahmen ergriffen werden, es muss nicht ‚auf gut Glück‘ gestreut werden.

Längst kein parteipolitisches Thema mehr

Digitalisierung soll unser Leben erleichtern und die Zeit, Veränderungen auf den Weg zu bringen, ist genau jetzt. Für unsere Kinder und Enkel werden Begriffe wie ‚Digitalisierung‘ und ‚Smart City‘ keine Bedeutung mehr haben. Sie wachsen ganz selbstverständlich in einer digitalen Welt auf und erwarten von der Stadt in der sie leben auch digitale Möglichkeiten der Interaktion. 

Wir freuen uns deshalb, in unserer AG Smart City Mitstreiter aus allen Fraktionen und aus der Stadtverwaltung gefunden zu haben und schließen diesen Artikel mit ein paar Impressionen der Stadtmeisterschaft im Neu-Isenburger Schützenverein. Dort wurde in diesem Jahr zum ersten Mal mit einer digitalen Anlage geschossen. Das haben wir zum Anlass genommen, mit einem überparteilichen Team ‚Smart City‘ anzutreten. Mit dabei waren Vertreter der CDU, SPD, FDP und der Grünen, der zuständige Dezernent und der Smart City Manager, dazu noch Freunde, Familie und interessierte Bürger. Wir haben es geschafft, das größte Team zu bilden und einen Pokal für den dritten Platz in der Mannschaftswertung mit nach Hause zu nehmen. Dabei hatten wir viel Spaß. Danke an alle, die dabei waren!

[Kati Conrad]

Dies ist ein privates Blog. Wir sind Mitglieder der CDU-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung, schreiben hier aber nicht im Namen der Fraktion oder der Partei.

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