Hugenottenhalle: vom Leuchtturmprojekt zur Betonwüste?

Das Betriebsende ist in Sicht!

Das, worüber bisher nur hinter vorgehaltener Hand spekuliert wurde, steht nun schwarz auf weiß in einer Drucksache, über die am Mittwoch in der Stadtverordnetenversammlung entschieden werden soll: Spätestens zu ihrem 50. Geburtstag im März 2027 wird die Hugenottenhalle wegen gravierender Mängel schließen, sie kann bereits jetzt schon nur mit Auflagen und Sondergenehmigung weiterbetrieben werden. Für den längst beschlossenen Umbau zu einem Kultur- und Bildungszentrum wird ein möglicher Zeitplan skizziert: Ende des Jahre sollen Vergabe, Beauftragung und Grundlagenermittlung starten. Vorplanung, Entwurfsplanung, Genehmigungsplanung und Ausführungsplanung sollen bis zum 3. Quartal 2030 dauern. Der eigentliche Umbau würde erst Anfang 2029 starten und 2032 abgeschlossen sein. Wenn alles nach Plan läuft. Für die Stadt bedeutet das: Mehr als 5 ganze Jahre wird die Hugenottenhalle leerstehen und kommt aufgrund der gravierenden Mängel auch nicht für eine Interimsnutzung (wie Ateliers, Pop-Up-Angebote) infrage. Sie steht einfach als leerer Betonklotz neben einem jetzt schon teilweise leerstehenden Isenburg Zentrum. In dieser Zeit muss die Halle weiter beheizt werden, oder sie wird weiter verfallen und schlimmstenfalls verschimmeln, so daß die Einbeziehung der bestehenden Bausubstanz, so wie der Siegerentwurf sie vorsieht, vielleicht nicht mehr möglich ist. 

Der Magistrat schlägt vor, wie weiter vorgegangen werden soll:

Immerhin: Die Planung soll weitergehen

Die Gewinner des Realisierungswettbewerbs, AFF Architekten aus Berlin, sollen mit der nächsten Leistungsphase beauftragt werden – ein wichtiger Schritt, die Planung für den Umbau zu einem Kultur- und Bildungszentrums zu konkretisieren. Der Drucksache kann man entnehmen, dass das nicht selbstverständlich ist und dass auch über den Abbruch des Gesamtverfahrens nachgedacht wurde. Dass die Kosten mit 63 Millionen Euro höher ausfallen, als vor langer Zeit geschätzt, war bei gestiegenen Baukosten, Inflation und Fachkräftemangel zu erwarten, die Schätzung basierte damals auch noch gar nicht auf einem konkreten Entwurf. Der Magistrat soll außerdem die Ausschreibungen für die notwenigen Fachplanungen erarbeiten. Und schließlich wird vorgeschlagen, die Mittel für die weitere Planung aus dem Stadtumbau umzuwidmen: Die „Umgestaltung“ des Alten Orts wird vorerst nur auf die barrierefreie Pflasterung des Marktplatzes (ohne die Gassen und Gässchen) beschränkt, so dass hier Gelder abgezogen werden sollen. Das ist ärgerlich für alle, die im Alten Ort endlich auf Fortschritte gehofft hatten, aber angesichts der beschlossene Priorisierung der Großprojekte (1. RTW, 2. Hugenottenhalle, 3. Alter Ort) immerhin konsequent.

Problematisch ist Punkt 5 der Drucksache:

Die Unterteilung in Bauabschnitte

Hier soll beschlossen werden:

5. Es erfolgt eine Gliederung in mindestens drei Bauabschnitte (Veranstaltungshalle, Bibliothek, Zusatzangebote, Außengelände).

Diese Gliederung soll jeden Abschnitt mit einem separaten Preisschild versehen. In der Drucksache wird dazu ausgeführt, das solle als Basis für „weitere Entscheidungen“ dienen. Damit wird die Möglichkeit eröffnet, erneut über Teilrealisierung oder Aufgabe des Gesamtprojektes zu diskutieren – etwas, was von der Stadtverordnetenversammlung explizit anders beschlossen wurde.

Dieses Vorgehen kann mit den zuständigen Architekten erst nach der Beauftragung besprochen werden, was zur Stadtverordnetenversammlung noch wichtige Fragen offenlässt: Ist das überhaupt so umsetzbar? Führt das zu Kostensteigerungen oder zu gestalterischen Brüchen, die das Konzept eines ‚Dritten Ortes‘ stören? In der Drucksache soll die Unterteilung aber ohne diese Klärung bereits beschlossen werden.

Jeder einzelne Bauabschnitt muss separat ausgeschrieben, beauftragt und vom Parlament beschlossen werden.  Das kann dazu führen: unterschiedliche Anbieter setzen die einzelnen Teile um. Und, was vielleicht noch gravierender ist: Von Beschluss der Drucksache bis zur Fertigstellung des Gebäudes (7 Jahre!) werden drei aufeinanderfolgende Parlamente mit unterschiedlichen Zusammensetzungen über das Schicksal der Stadt entscheiden. Das sind viele Zwischenstopps und viele Sollbruchstellen, die dazu führen können, dass zuerst nur die dringend notwendige Sanierung der Veranstaltungshalle vorgenommen wird und der Rest im Laufe der Jahre auf der Strecke bleibt. Wenn das Projekt auf der Zeitachse geschoben wird und die Baukosten weiter steigen dann bleiben wir am Ende mit einer notdürftig sanierten Halle und einem immer noch veralteten Bibliotheksgebäude zurück – ohne Kultur- und Bildungszentrum, ohne Platz für Musikschule und Volkshochschule, ohne Räume für Kreativität und Begegnung, ohne – wie es noch vor einiger Zeit hieß – Leuchtturmprojekt für die Region. Die Absicht, am Gesamtprojekt festzuhalten, wird in der Drucksache nirgends erklärt.

Und ein weiteres Risiko birgt die Bildung von Bauabschnitten: Die Fördermittel von Land und Bund, mit denen wir bisher rechnen, drohen wegzufallen. Das Land Hessen stellt zum Beispiel explizit Mittel für Dritte Orte zur Verfügung – also für Zentren, in denen Menschen sich begegnen, austauschen, lernen und kreativ sein können.

Wenn die Halle jedoch nicht mehr als ein zusammenhängendes Projekt ‚Dritter Ort‘ betrachtet wird, sondern stattdessen Einzelmaßnahmen wie eine ‚Sanierung der Veranstaltungshalle’ oder eine ‚Erweiterung der Bibliothek‘ umgesetzt werden, besteht die Gefahr, dass wir keine Förderung mehr erhalten oder diese viel geringer ausfällt. Welche Fördermöglichkeiten konkret infrage kommen, klärt sich allerdings erst im nächsten Schritt.

Klar ist für uns: Es muss weitergehen! Da nicht mehr alle Fraktionen voll hinter dem Projekt stehen, ist es wichtig, dass hier kein Alibi-Beschluss gefasst wird, um das Projekt später zu beerdigen. Auch die Risiken (Kostensteigerung und Verlust von Fördermitteln) müssen berücksichtigt werden. Wir werden der Drucksache zustimmen, um die Beauftragung des Architekturbüros sicherzustellen, beantragen aber, Punkt 5 wie folgt zu ändern:

5. Die Möglichkeit einer Unterteilung des Gesamtprojekts in mehrere Bauabschnitte wird geprüft. Dabei sollen besonders die Auswirkungen auf die Förderfähigkeit und die Baukosten berücksichtigt werden.

Finanzierung: Fehlanzeige!

Auch im kommenden Haushalt, der ebenfalls am Mittwoch eingebracht werden soll, hat der Kämmerer keine Mittel für das Kultur- und Bildungszentrum eingeplant und kann sich das nach eigener Aussage auch künftig nicht vorstellen. In der mittelfristigen Finanzplanung tauchte der Umbau bisher nicht auf. Die zur Verfügung gestellten, aus dem Stadtumbau umgewidmeten Mittel sind nur für die Planung vorgesehen, nicht für die Umsetzung. Ohne dass der Umbau einen Weg in den städtischen Haushalt findet, bleibt das Projekt ein Luftschloss, während vor Ort eine graue Leere zurückbleibt. Polarisierende Entscheidungen für oder gegen das Gesamtprojekt werden bis nach der Kommunalwahl (März 2026) verschoben.

Dass es keine leichte Aufgabe wird, neben der RTW (46 Millionen Anteil für Neu-Isenburg) ein weiteres Großprojekt zu stemmen, ist klar. Eine Finanzierung über Kredite, die den städtischen Haushalt jährlich mit Zinsen und Tilgung (nicht mit der ganzen Summe auf einmal) belastet, wäre bei einer ausreichenden Laufzeit aber darstellbar. Die Finanzierung würde die Stadt bei entsprechender Förderung ab 2029 jährlich mit ca. 1,5 Millionen Euro belasten. Bei jährlichen Ausgaben von ca. 200 Millionen ist das weniger als 1% der Gesamtausgaben der Stadt. Der Knackpunkt ist: Man muss es politisch wollen.

Wir beantragen deshalb, einen neuen Punkt 7 hinzuzufügen:

7. Die finanziellen Mittel für den Umbau zum Kultur- und Bildungszentrum werden in die mittelfristige Finanzplanung aufgenommen.

Unsere Stadt muss attraktiv bleiben!

Neu-Isenburg muss endlich ganzheitlich betrachtet werden. Ein urbanes Vakuum an einer so prominenten, früher belebten Stelle wäre eine schlechte Visitenkarte für unsere Stadt und ein selbst für den Durchreisenden unübersehbares Mahnmal für fehlende Weiterentwicklung und unambitionierte Stadtplanung. Eine Stadt, die sich so präsentiert, ist bald nicht mehr attraktiv als Wirtschaftsstandort. Und weniger Gewerbesteuern bedeuten noch weniger finanzielle Spielräume zur Gestaltung einer lebenswerten Stadt. 

[Kati Conrad, Oliver Hatzfeld]

Die runtergekommene Hugenottenhalle auf dem Bild ist mit KI erzeugt und wird hoffentlich nie Realität.

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