Viele Vergleiche und Metaphern wurden schon für unseren städtischen Haushalt bemüht. Aber ein Elefant? Auf diese Idee brachte uns Frank Wöllstein von den Freien Wählern bei seiner Haushaltsrede in der Stadtverordnetenversammlung am 8. November 2023. Die Haushaltsreden der Fraktionsvorsitzenden sind ein wichtiger Bestandteil der Haushaltsberatungen im Parlament. Hier können alle ihre Positionen klarmachen und hervorheben, was ihren Fraktionen wichtig ist. Wir möchten Euch daran teilhaben lassen und berichten in der Reihenfolge, in der die Reden gehalten wurde. Diese wird vor der Sitzung ausgelost.
Bernd Vohl für die AfD
Im Neu-Isenburger Stadtparlament diskutieren wir in der Regel sachlich miteinander, und das funktioniert hier auch mit der AfD. Dennoch liess uns die Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden Bernd Vohl etwas verwirrt zurück. Als Erstes forderte er die sofortige Einstellung der RTW, stattdessen sollten lieber Elektrobusse auf der Strecke fahren. Zugegeben, die RTW reißt große Löcher in den städtischen Haushalt und nicht alles läuft momentan nach Plan. Dennoch soll dieses wichtige Infrastrukturprojekte den Verkehr von der Straße runter und rauf auf die Schiene bringen. Weitere Busse, egal welcher Antriebsart, würden die Verkehrsbelastung und die Staus entlang der L3117 (wie wir die Carl-Ulrich-Straße und die Friedhofstraße liebevoll nennen) verschlimmern – und das Gegenteil, eine Entlastung, soll ja erreicht werden! Auch die Ladeinfrastruktur (den Strom UND den Platz!) für eine ganze Busflotte müsste die Stadt schaffen, schlimmstenfalls ganz ohne Fördermittel.
Aber nicht nur die RTW muss weg, wenn es nach der AfD geht. Auch die geplante Umgestaltung der Frankfurter Straße und die Machbarkeitsstudie für die Verlängerung der Straßenbahn sollen mit sofortiger Wirkung gestrichen werden. Das eingesparte Geld soll stattdessen für den Umbau der Hugenottenhalle verwendet werden, was wir grundsätzlich für ein ehrenhaften Anliegen halten – was aber ebenfalls bestehenden Stadtverordnetenbeschlüssen widerspricht.
Es soll aber nicht nur gestrichen werden. Wieder in die Planung aufgenommen werden soll, wenn es nach der AfD geht, der Wiederaufbau des Alten Rathauses auf dem Marktplatz. Mit Spendengeldern soll das ermöglicht werden, ohne den städtischen Haushalt zu belasten. Vor unserem geistigen Auge erschien die Stadtverordnetenversammlung des Jahres 2186, die gerade mittels implantiertem DiPolis-Abstimmungschip über den mittlerweile 47. Antrag zum Hugenottenrathaus-Wiederaufbau entscheidet. Abgelehnt…biep, biep.
Die vom Kämmerer bei der Einbringung des Haushalts in Aussicht gestellte Erhöhung der Grundsteuer und der Gewerbesteuer lehnt die AfD ab. Sie möchte sogar eine Steuer um 50% senken: die Hundesteuer.
Maria Sator-Marx für die Grünen
Im letzten Jahr hatte die Fraktionsvorsitzende der Grünen uns in Aussicht gestellt, mal als Hexe verkleidet zu einer Stadtverordnetenversammlung zu erscheinen. Kein Wunder, dass sie bei ihrer Rede im Thema blieb und Neu-Isenburg als ein Märchenland darstellte, in dem bisher jeder Wunsch erfüllt wurde und wo die edlen Prinzen (auch Dezernenten genannt) alle ihre eigenen Schlösschen bauen. Was diese Prinzen da im Magistrat so treiben, hält sie für undurchsichtig und wünscht sich eine stärkere Einbeziehung des Parlaments in die Entscheidungsprozesse. Mit ganz so viel Märchendrama würden wir es zwar nicht beschreiben, aber dem Wunsch nach einer frühzeitigen Beteiligung der Stadtverordneten an Entscheidungsprozessen des Magistrats teilen wir. An einigen Stellen sind wir inzwischen auf dem richtigen Weg, zum Beispiel mit unseren Stadtumbau-Workshops und der parlamentarischen AG Smart City. Aber mit dem Haushalt hat das nur indirekt zu tun.
Wesentlich direkter waren da die Forderungen nach dem Umbau der Hugenottenhalle und der Stadtbibliothek, der barrierefreien Pflasterung des Marktplatzes und der Gässchen im Alten Ort sowie die Forderungen an das Team Smart City, digitale Lösungen für das Parkraum-Management in Neu-Isenburg zugunsten der Radfahrer zu finden. (Hierzu empfehlen wir Euch unseren Artikel Wie wir eine noch smartere City werden können.)
Einige Parteien kritisieren gelegentlich fehlende Angebote für Jugendliche. Hier mangele es nicht an Möglichkeiten, meinte Maria Marx, sondern an Struktur und an klaren Zielgruppen. Projekte wie die Mobile Jugendarbeit (MoJa) sollen unbedingt weitergeführt werden.
Und zurück zu dem Märchenland, in dem alle Wünsche in Erfüllung gehen: Für unseren Kämmerer Stefan Schmitt wünschte sich Hexe Maria künftig mehr Mut. Oder sind wir da jetzt beim Zauberer von Oz?
Edgar Schultheiß für Die Linke
Auch Herr Schultheiß hatte einen Wunsch an unseren Kämmerer: Mehr Präzision, was die angekündigten Konsolidierungsmaßnahmen betrifft, denn die Linke vermisst bei den Haushaltsberatungen eine klare Aussage, wo gespart werden könnte und wo bereits etwas eingespart wurde. In der Tat sollen die Konsolidierungsmaßnahmen von den ehrenamtlichen Stadtverordneten gemeinsam mit der Verwaltung in einer Reihe von Sitzungen erarbeitet werden – eine Vorgehensweise, mit der auch wir nicht so ganz glücklich sind.
Bei der Priorisierung der anstehenden Großprojekte sieht Herr Schultheiß die RTW nicht auf Platz 1. Die Grundsteuererhöhung lehnt die Fraktion ab, die Erhöhung der Gewerbesteuer wird als akzeptabel bewertet. Ebenso in Ordnung findet die Linke die hohen Personalkosten mit Verweis auf notwendige Tariferhöhungen.
Die Fraktion Die Linke kündigt an, dem Haushalt in der vorliegenden Form nicht zuzustimmen.
Frank Wöllstein für die Freien Wähler (FWG)
Unter dem Motto ‚Nix Genaues weiß mer net“ zählte der Fraktionsvorsitzende der FWG sehr kurzweilig auf, was so alles noch unklar ist: Die Haushaltsplanung sei ihm zu vage, denn ein riesiger Konsolidierungselefant (hier ist er!) stehe im Raum. Wir orakeln bei den RTW-Kosten. Der Controllingbericht, der gerade in der aktuellen Situation wichtige Hinweise hätte geben können, wurde nicht vorgelegt. Während das Parlament seit Wochen über Konsolidierungsmaßnahmen berät, werden bei der Stadtverwaltung befristete Stellen in feste Stellen umgewandelt – bei ohnehin extrem hohen Personalkosten. Gelten die Sparmaßnahmen nicht für die Verwaltung? Und dann wäre da noch der immer EINE ungewisse Gewerbesteuerzahler, der den städtischen Haushalt jedes Jahr scheinbar völlig überraschend entweder mit hohen Rückzahlungen belastet oder mit sensationellen Nachzahlungen rettet. Diesmal war‘s ‚der Erfreuliche‘, denn wir durften uns über eine Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von 166 Millionen freuen (angesetzt waren 92 Millionen).
Was die Forderungen der Freien Wähler betrifft, gab es hingegen keine Unklarheiten. Die Planungen zum Huha-Umbau sollen fortgeführt werden, allerdings wünscht sich die Fraktion hier, dass Fördermöglichkeiten bereits vorab eruiert werden. Auch beim Umbau der Frankfurter Straße soll der Ideenwettbewerb wie geplant starten. Die barrierefreie Gestaltung des Marktplatzes sei ein Muss. Auch an der Erneuerung des Sportplatzes in Gravenbruch führe kein Weg vorbei. Die dazugehörigen maroden Funktionsräume (Umkleiden etc.) möchte die FWG renovieren, nicht neu bauen.
Auch die FWG ist gegen eine Erhöhung der Grundsteuer, bei der Gewerbesteuer kann die Fraktion einer Erhöhung zustimmen, wenn die Schraube nicht zu weit angezogen wird, denn dadurch könnte für die Stadt ein Wettbewerbsvorteil verlorengehen.
Statt kleinteiliger Diskussionen über Weihnachtsbeleuchtung und Eisbahn wünscht Frank Wöllstein sich für den gesamten Haushalt mehr Klarheit und Transparenz.
Markus Munari für die SPD
Auch der Fraktionsvorsitzenden der SPD kritisierte, dass nun ehrenamtliche Stadtverordnete die Kohlen aus dem Feuer holen sollen und sieht die Kämmerei in der Pflicht, konkrete Vorschläge zur Umsetzung bestehender Beschlüsse zu liefern. Deshalb möchte auch die SPD-Fraktion dem vorliegenden Haushalt so nicht zustimmen.
Ebenfalls auf Ablehnung stößt eine Erhöhung der Grundsteuer. Bei der Gewerbesteuer fordert die SPD eine Anhebung auf den Nivellierungshebesatz von 357 Punkten und möchte damit Planungssicherheit für Unternehmen schaffen. Die vorgeschlagene Erhöhung auf 345 Punkte zieht nach Meinung der Fraktion nur weitere Erhöhungen nach sich.
Der Umbau von Hugenottenhalle und Bibliothek zum Kultur- und Bildungszentrum ist auch für die SPD ein wichtiges Projekt für eine funktionierende Stadtgesellschaft. Auch die Sanierung der Sportplätze und Funktionsgebäude dürfe nicht auf die lange Bank geschoben werden. Der Fraktionsvorsitzende wies außerdem auf die Wichtigkeit der Vereinsförderung und der städtischen Kulturpreise hin. Einsparen möchte die Fraktion dafür lieber beim freiwilligen Polizeidienst und bei der Mobilen Jugendarbeit. Auch die geplante Mobilitätsstation im Westen und das Stadtsauberkeitskonzept der DLB hält die Fraktion für entbehrlich.
Markus Munari lud die Fraktionsspitzen aller Parteien ein, miteinander zu diskutieren und auch unpopuläre Entscheidungen gemeinsam zu treffen und zu verantworten. (Darüber hatten wir ja bereits den Blogartikel All together now geschrieben, diese Zusammenarbeit unterstützen wir ausdrücklich.) Für ihn beginnt Politik da, wo das Geld endet.
Bettina Blüchardt für die CDU
Gleich zu Anfang stellte die Fraktionsvorsitzende klar, dass nicht geplant sei, die Rücklagen für den Umbau der Hugenottenhalle in Höhe von 20 Millionen zum Ausgleich des Haushalts zu verwenden. Im sehr ungünstigen Fall könnte es aber doch dazu kommen, da die Kommunalaufsicht bei neuen Kreditaufnahmen fordert, zuerst die Rücklagen aufzubrauchen. Im Haushalt sind nun erst einmal 500.000 Euro für den Realisierungswettbewerb bereitgestellt, danach könne auf Basis der Ergebnisse weitergearbeitet werden. Auch die Privatisierung oder die Zusammenarbeit mit einem privaten Investor soll dann geprüft werden. Bettina Blüchardt bemängelt hier fehlende Kreativität und das Ausbleiben von Vorschlägen aus dem Kulturbereich.
Die CDU-Fraktion kritisiert ebenfalls die hohen Personalkosten, die durch die Eingliederung der Niki GmbH, Tariferhöhungen, Neubesetzungen und Höhergruppierungen zustande kommen. Am Sauberkeitskonzept, der MoJa und dem freiwilligen Polizeidienst möchte sie festhalten, für die Musikschule möchte die Fraktion einen höheren Zuschuss beantragen. Für die Sportanlagen in Gravenbruch soll jedoch vorerst ein Sperrvermerk eingestellt werden.
Was die Grundsteuer betrifft, hofft Bettina Blüchardt, dass die Erhöhung noch verhindert werden kann. Vermeiden möchte sie auch Stagnation und betont, dass alle beschlossenen Projekte auch umgesetzt werden sollen.
Thilo Seipel für die FDP
Eigentlich hatte er im hellen Anzug kommen wollen. Doch der Fraktionsvorsitzende der Freien Demokraten sieht nach eigener Aussage beim Haushalt schwarz und brachte das mit der Farbe seiner Garderobe zum Ausdruck. Auch er kritisierte gleich zu Anfang den fehlenden Controllingbericht. Entspannt wirkte er bei der Gewerbesteuer – sie sei immer volatil und das wüssten die Unternehmen auch. Eine Anhebung der Grundsteuer jedoch sei für ihn ein Wortbruch des Kämmerers.
Auch der FDP waren die sehr hohen Personalkosten sofort aufgefallen und Thilo Seipel berichtete aus Langen, dass die Stadtverwaltung dort mehr Mitarbeiter habe – bei niedrigeren Kosten. Hier regte er an, über ein Outsourcing einiger Bereiche nachzudenken wie z.B. der Lohnbuchhaltung oder des Facility-Managements. Auch den höheren Betreuungsschlüssel in Neu-Isenburger Kitas möchte Thilo Seipel auf den Prüfstand stellen.
Deutlich befürwortet wurde von der Fraktion der Umbau der Hugenottenhalle, die barrierefreie Pflasterung des Alten Orts ohne Wasserspiele sowie die Umgestaltung des Wilhelmplatzes inklusive Parkdeck.
Thilo Seipel erklärte, der Haushalt tue ihm persönlich weh und die Konsolidierungsmaßnahmen kommen seiner Ansicht nach 5 Jahre zu spät. Auch er teilt die Ansicht, das Ehrenamtliche nicht die Aufgaben der Kämmerei übernehmen sollten. Wie einst Ronald Reagan mit „Mr. Gorbatschow, tear down this wall!“ forderte der FDP-Fraktionsvorsitzende zum Abschluss seiner Rede: „Herr Kämmerer, ziehen Sie den Haushalt zurück!“
Und wir so?
Nach diesem Überblick über alle Haushaltsreden möchten wir noch einmal auf den Konsolidierungselefanten zurückkommen. Aus der indischen Philosophie stammt eine Geschichte, bei der mehrere blinde Männer einen Elefanten an jeweils nur einer Stelle abtasten und ihn daraufhin beschreiben. Der Mann, der den Rüssel angefasst hat, beschreibt den Elefanten als eine Art Schlange, der Mann am Ohr hat ein Segel ertastet, das Schwänzchen wird als Seil identifiziert, der Stoßzahn als Speer, ein anderer befühlt das Bein und glaubt, eine Säule vor sich zu haben. Der Elefant in seiner Gesamtheit wird nicht wahrgenommen. Um unseren Haushalt richtig zu verstehen, müssen wir ihn aber unbedingt in seiner Gesamtheit betrachten. Konzentrieren sich alle Fraktionen nur auf ihre eigenen wichtigsten Themen und stellen viele einzelne kleine Anträge, ist ein gemeinsamer, konstruktiver Weg und ein für alle zustimmungsfähiger Haushaltsplan nicht möglich. Wenn wir aber zusammenarbeiten, erkennen wir den Elefanten und können auf seinem Rücken neue Perspektiven gewinnen.
[Kati Conrad]
Dies ist ein privates Blog. Wir sind Mitglieder der CDU-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung, schreiben hier aber nicht im Namen der Fraktion oder der Partei. Auch nicht im Namen der anderen hier erwähnten Parteien. Wir haben alles nach bestem Wissen und Gewissen wiedergegeben.