Vor der Wahl räumt die Stadt ihr Konto leer

Haushaltsrede unseres Fraktionsvorsitzenden

Wer in den letzten Jahren den Haushalt der Stadt verfolgt hat, weiß: Wir stehen an einem finanziellen Wendepunkt. Nach Jahren steigender Ausgaben, verschobener Projekte und nicht erfüllter Versprechungen wird deutlich – so kann es nicht weitergehen.

Trotz Haushaltssperre und Stellenwiederbesetzungssperre steigen alle Ausgaben weiter, Rücklagen werden aufgezehrt. Der aktuelle Entwurf zeigt keine Lösungsperspektive, sondern nur den Versuch, Zeit zu gewinnen. Doch – genau wie das Geld – fehlt die uns bald!

Rücklagen schrumpfen – Zukunft schmilzt

Auch 2026 soll der Haushalt wieder durch Eingriff in die Rücklagen und in die Liquidität ausgeglichen werden. Technisch funktioniert das  – diesmal noch!

Wenn alles so kommt wie geplant, steht Neu-Isenburg im nächsten Jahr mit einem Defizit von 31 Millionen Euro da. 2027 ist dann auch die gesetzliche Liquiditätsreserve aufgebraucht, 2028 bleibt eine Lücke von 15 Millionen. Spätestens dann kann die Stadt ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen.

Wir leben von der Substanz – und das gefährdet unsere eigenständige Handlungsfähigkeit. Wir riskieren, dass übergeordnete Stellen zukünftig über unseren Haushalt entscheiden.

Steuern – das große Schweigen vor der Wahl

Wo kein Sparen gelingt, drohen Steuererhöhungen. Schon der Doppelhaushalt 2024/25 sah ab 2026 eine deutliche Erhöhung der Grundsteuer vor – mit geplanten Einnahmen von 10 Millionen Euro. Jetzt, kurz vor der Wahl, hört man davon zwar nichts mehr, nach der Wahl wird das Thema aber wiederkehren, da darf man sich nichts vormachen. Solche Rechenspiele sind nicht ehrlich. Politik sollte Entscheidungen für die Stadt treffen – nicht für den Wahltermin.

Auch die Gewerbesteuer steht zur Debatte: Der Kämmerer will sie nur moderat anheben, entgegen der Empfehlung seiner eigenen Kämmerei, dafür jährlich nach Kassenlage anpassen. Für Unternehmen ist das kaum kalkulierbar und gefährdet unseren Wirtschaftsstandort langfristig.

Haushaltssperre: Symbolik statt Wirkung

Trotz Haushaltssperre steigen die Ausgaben weiter. Was wir in manchen Bereichen einsparen, wird durch massive Mehrausgaben an anderer Stelle  überkompensiert. Einschränkungen, die für den Haushalt insgesamt kaum ins Gewicht fallen, sind für einige Betroffene jedoch äußerst schmerzhaft. Besonders hart trifft es den Kulturbereich und die Musikschule. Der Kämmerer hat hier den Zuschuss gekürzt und gefährdet damit die Arbeit der Einrichtung. Erst im Mai hatte deren Vorsitzender öffentlich die „Geringschätzung der Politik“ beklagt und eine Erhöhung der städtischen Zuschüsse gefordert.  

Wenn die Koalition nun die Kürzung vor der Wahl wieder zurücknimmt, dann ist das zwar erfreulich für die Musikschule, doch die Koalition löst nur öffentlichkeitswirksam ein Problem, dass sie selbst geschaffen hat.  

Drei Jahre Konsolidierung – wenig Ergebnis

Vor drei Jahren wurde der Magistrat beauftragt, einen Konsolidierungshaushalt vorzulegen um die bereits absehbare negative Entwicklung zu stoppen und Steuererhöhungen zu vermeiden. Zuerst wurden ein Jahr lang Dezernetengespräche geführt. Dann startete man ein aufwändiges Verfahren mit Verwaltung und Stadtverordneten – und beschäftigte sich in insgesamt 14 Sitzungen zwei Jahre lang mit der Einsparung von Kleinstbeträgen. Am Ende kamen hauptsächlich Gebührenerhöhungen heraus.  

Dieses Verfahren wurde von Anfang an von allen Fraktionen kritisiert. Die SPD hat ihre Mitwirkung inzwischen sogar eingestellt. 

Nicht genutzt wurden die Hinweise des Hessischen Rechnungshofs auf Leistungen, die in Neu-Isenburg überdurchschnittlich teuer sind. Der Antrag unserer Fraktion DIE YSENBURGER!, dem nachzugehen, wurde abgelehnt – mit dem pauschalen Hinweis, die Zahlen seien „nicht eins zu eins vergleichbar“. Eine verpasste Chance. 

Ebenso abgelehnt: unser Antrag zur dringend notwendigen Neustrukturierung der Verwaltung. 40% der städtischen Mitarbeiter gehen in den nächsten Jahren in den Ruhestand – und mit der bisherigen Struktur kann das nicht aufgefangen werden, ohne die verbleibenden Mitarbeiter zu überlasten. Trotz Ablehnung durch die Koalition hat sich der Bürgermeister des Themas nun doch angenommen – für diesen Haushalt kommt es aber leider zu spät. 

Investitionen – falsche Prioritäten

Bei Investitionen wird zuerst geschaut, was man streichen kann. Auf Dinge, die man noch gar nicht hat, lässt sich vermeintlich am einfachsten verzichten.  Doch die vorgelegte Investitionsplanung ist inkonsistent und unrealistisch. Die Koalition hat eine Prioritätenliste für die größten Projekte beschlossen – ohne zu klären, was eigentlich priorisiert wird: die Realisierung? Die Bearbeitung? Die Finanzmittel?  

So hat das Projekt mit der niedrigsten Priorität – der barrierefreie Alte Ort – die größte Chance, als Erstes umgesetzt zu werden, obwohl die Fördermittel dafür gerade umgeschichtet wurden.  

Für den Umbau der Stadtbibliothek und der Hugenottenhalle gibt es weder ein Finanzierungskonzept noch eine Einplanung im Haushalt, obwohl feststeht, dass die Halle 2027 schließen muss. Dabei könnte und müsste der Umbau eigentlich früher umgesetzt werden als Platz 1 der Prioritätenliste:

Der Straßenumbau im Zuge der RTW-Verlängerung bis ins Birkengewann ist höchstpriorisiert und mit konkreten Zahlen eingeplant – obwohl noch lange kein Planfeststellungsbeschluss in Sicht ist. Die dafür vorgesehenen Fördertöpfe des Bundes sind bis 2036 überzeichnet. Und: Zum Start des Straßenumbaus bräuchte es eine zweite Feuerwache im Westen – die ist in der Planung aber ebenfalls nicht berücksichtigt.  

Kurz: Notwendige Investitionen werden zurückgestellt, während Großprojekte mit unsicherer Perspektive fortgeschrieben werden.  

Neu-Isenburg braucht wieder Strategie und Verantwortung

Dieser Haushalt ist unvollständig, ambitionslos und ohne klare Strategie. Die mittelfristige Finanzplanung trägt nicht. Die Koalition hat die Hände vom Steuerrad genommen, sie lässt die Dinge treiben – anstatt sie zu gestalten.

Bei diesen Aussichten gibt es drei Zukunfts-Szenarien:

  • Erstens: Wir warten weiter auf einen Geldsegen von Land oder Bund, der nicht nur Investitionen, sondern auch konsumptive Ausgaben übernimmt. Das bedeutet aber auch: Wer bezahlt, legt die Standards fest. 
  • Zweitens, der schlimmste Fall: Die  Kommunalaufsicht übernimmt und setzt einen harten Sparkurs durch – ohne Rücksicht auf unsere lokalen Interessen.  Besonders gefürchtet wäre dann die Einführung einer Straßenbeitragssatzung, die, wie zuletzt Beispiele aus Niedersachsen gezeigt haben, bei einzelnen Grundstückseigentümern zu Rechnungen in der Größenordnung von 50.000 Euro geführt hat. 
  • Oder, drittens, es ändern sich nach der Kommunalwahl die Mehrheitsverhältnisse, die neuen politischen Kräfte übernehmen Verantwortung und packen die Aufgaben im Sinne unserer Stadt an.  

Das würde uns am besten gefallen und wir packen das an!

[Kati Conrad, Oliver Hatzfeld]

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