Zu Oliver sprechen die Zahlen. Er kopiert sich die 800 Seiten Haushalt flugs in eine Exceltabelle mit ein paar Filtern und erkennt schnell alle Zusammenhänge. Ich als weniger zahlenaffiner Mensch muss mir andere Wege suchen, den Haushalt zu verstehen. Und so scherzten wir immer ein bißchen darüber, dass ich doch mal einen Artikel über den Haushalt schreiben könnte – ohne Zahlen! Ich nehme die Herausforderung an und erkläre Euch die aktuelle Situation mit Hilfe von Tarotkarten und dem Legesystem ‚Keltisches Kreuz‘. Damit können die spirituell Interessierten etwas über die städtische Finanzlage erfahren und die Kollegen aus dem Parlament einen Einblick in die uralte Weisheit des Tarot erlangen.
Die Ursprünge unserer heutigen Tarotkarten reichen zurück bis ins 15. Jahrhundert und ein Deck setzt sich wie folgt zusammen:
- Die Karten der Großen Arkana stehen für unterschiedliche Bewusstseinsebenen, beginnend mit dem ‚Narr‘ und endend mit der ‚Welt‘.
- Die Stäbe stehen für das Element Feuer und damit für Energie, Aktivität und Kreativität.
- Die Kelche stehen für das Element Wasser und damit für Emotionen, Unterbewusstes, Intuition.
- Die Schwerter stehen für das Element Luft und damit für Denken, Intellekt und Kommunikation
- Die Münzen stehen für das Element Erde und damit für Bodenständiges, Materielles. Sie werden uns im Zusammenhang mit dem Haushalt am häufigsten begegnen.
Beim ‚Keltischen Kreuz‘ werden die Karten auf eine bestimmte Weise ausgelegt, jede Position steht für einen Aspekt, den man näher beleuchten möchte. Dabei geht es nicht um esoterisches Wahrsagen sondern um Mustererkennung: Die Botschaft der Karten wird auf Situation des Fragestellers übertragen und kann neue Impulse und Erkenntnisse bringen. Für unseren Artikel habe ich es umkehrt gemacht und Karten ausgesucht, die die Haushalts-Situation gut repräsentieren.

Position 1: Das ist es.
Darum geht es. Die Ausgangssituation, das Thema.
Zwei der Münzen: Diese Karte steht dafür, Dinge in Balance zu halten, im Fluss. Das gilt auch für gegensätzliche Kräfte, die im Gleichgewicht bleiben sollten. Die Karte zeigt in vielen Decks eine Person, die mit den zwei Münzen jongliert, eingerahmt von einer liegenden Acht, die für Unendlichkeit steht.

Einnahmen und Ausgaben. Pflichtaufgaben und freiwillige Leistungen. Sparsamkeit und gute Lebensqualität. Um die Ausgewogenheit dieser Dinge geht es letztendlich im städtischen Haushalt. Mit dem, was da ist (in Neu-Isenburg zum Beispiel hohe Gewerbesteuereinnahmen) gilt es, die Stadt bestmöglich weiterzuentwickeln. Eine Stadt, die für ihre Bürger attraktiv ist, ist auch für Unternehmen attraktiv. Wenn weitere Unternehmen sich ansiedeln, verbessert sich die Finanzlage der Stadt weiter und es ergeben sich wieder neue Möglichkeiten zur Weiterentwicklung: ein breiteres kulturelles Angebot, ein attraktiverer ÖPNV, bessere Kinderbetreuung. Im Idealfall also eine Aufwärtsspirale, und eigentlich ja auch das Thema unseres Blogs: das Yin und Yang der Stadt.
Position 2: Das kreuzt es.
Das kommt hinzu. Fördernde oder hinderliche Einflüsse zum Thema.
Zehn der Stäbe: Bei dieser Karte geht es darum, sich zu viel aufzubürden: Zu große Belastungen, zu viel Verantwortung, zu viel auf einmal. Die Notwendigkeit der Priorisierung bei der Bewältigung komplexer Aufgaben.

Auf Position eins konnten wir sehen, worum es geht: einen ausgewogenen Haushalt. Nun sind aber selbst für eine wohlhabende Stadt wie Neu-Isenburg die Belastungen zu hoch geworden. Die Folgen der Pandemie und der Energiekrise, vor allem aber die ständig steigenden laufenden Ausgaben machen Konsolidierungsmaßnahmen erforderlich. Außerdem müssen die anstehenden Großprojekte wie die Regionaltangente West (RTW), der Umbau der Hugenottenhalle zu einem Kultur- und Bildungszentrum sowie verschiedene Stadtumbaumaßnahmen (Alter Ort, Frankfurter Straße) berücksichtigt werden.
Position 3: Das krönt es.
Das wird erkannt. Bewusste und rationale Gedanken zur Situation.
Zwei der Schwerter: Hier geht es um die Schwierigkeit, Entscheidungen zu treffen. Die Karte zeigt eine Person mit verbundenen Augen und zwei Schwertern, die in unterschiedliche Richtungen deuten. Welche ist die richtige?

Eins ist uns allen klar: Hier müssen Entscheidungen getroffen werden, auch unangenehme. Einsparungen bedeuten, das irgendetwas wegfallen muss. Die Person auf der Karte hat sich noch nicht entschieden, sie hat die Augen noch verschlossen und befindet sich im Gleichgewicht. Das ist bequemer als eine Entscheidung, die in jedem Fall Nachteile und Einschränkungen mit sich bringt: Große Projekte zu streichen erscheint auf den ersten Blick am einfachsten, aber die Stadt entwickelt sich dann auch nicht weiter, wird immer unattraktiver für Bewohner und Unternehmen. Sparen wir viele kleinere Positionen ein, wird das unangenehm für städtische Fachbereiche oder Vereine. Erhöhen wir die Steuern, trifft das die Bürger (im Falle einer Grundsteuererhöhung) oder die ansässigen Unternehmen (bei einer Anhebung der Gewerbesteuer). Dennoch muss die Entscheidung getroffen werden, der aktuelle Zustand, wie auf der Karte zu sehen, bedeutet Stillstand. Er ist nur ein Zwischenzustand, in dem wir nachdenken und abwägen müssen.
Position 4: Darauf ruht es.
Das wird gespürt. Emotionale und auch unbewusste Aspekte.
Fünf der Münzen: Die Karte zeigt zwei Personen, die in der Kälte draußen frieren müssen, während es hinter einem erleuchteten Fenster ganz offensichtlich ein ‚Drinnen‘ gibt. Das Motiv symbolisiert Schwierigkeiten (vor allem finanzielle), aber auch Hilflosigkeit, den Verlust von Sicherheit und das Gefühl, ausgeschlossen zu werden.

Auch ein so streng rationales Zahlenwerk wie ein Haushalt kann Emotionen hervorrufen. Da wäre zum einen die Angst, durch die Einsparungen etwas zu verlieren und auf Annehmlichkeiten verzichten zu müssen. Viel relevanter erscheinen mir allerdings die Ängste der beteiligten Personen, durch ihre Entscheidungen verantwortlich für unpopuläre Maßnahmen zu sein und dadurch an Ansehen zu verlieren. Klar, die Kämmerei verantwortet den vorliegenden Haushaltsentwurf und letztendlich verantworten alle Stadtverordneten am Ende die Konsolidierungsmaßnahmen. Dennoch sollten wir uns alle bewusst machen, dass Schuldzuweisungen uns kein Stück weiterbringen. Die Herausforderungen sind da und wir müssen eine bestmögliche Lösung finden.
Position 5: Das war zuvor.
Ereignisse aus der Vergangenheit, die zu dieser Situation geführt haben.
Sechs der Münzen: Hier geht es um Geben und Nehmen. Ist es ausgewogen? Die Karte zeigt eine Person, die Geschenke an vor ihr kniende Menschen verteilt (hier Päckchen, in klassischen Darstellungen oft Münzen). Aber sind es Bedürftige? Die Körperhaltung lässt darauf schließen, anhand der Kleidung lässt sich nicht ablesen, ob das Gegebene tatsächlich benötigt wird.

Diese Position in der Legung zeigt an, was der aktuellen Situation vorausging, was ihre Ursache ist. Neu-Isenburg war bisher in der Lage, sich Dinge zu leisten, die weit über die Erfüllung gesetzlicher Pflichten hinausgehen, zum Beispiel einen höheren Betreuungsschlüssel in der Kinderbetreuung. Auch die Personalkosten in der Verwaltung sind durch Tariferhöhungen, Neubesetzungen und Höherbewertung von Stellen exorbitant hoch, auch im Vergleich zu anderen Kommunen. Durch hohe Gewebesteuereinnahmen herrschte hier ein Gleichgewicht, der Haushalt war immer ausgeglichen und wir haben unsere Aufgaben und Ausgaben immer weiter ausweiten können. Nun kommen große Projekte auf uns zu (z.B. RTW), gleichzeitig wird der finanzielle Spielraum durch die steigenden laufenden Kosten immer geringer.
Position 6: Das kommt danach.
So geht es weiter, so sieht eine mögliche Zukunft aus.
Turm: Radikale Veränderungen. Zerstörung unserer geschaffenen Strukturen. Auf der Karte wird ein Turm vom Blitze getroffen, die Kuppel, die wie eine Krone aussieht, stürzt bereits in die Tiefe, aus den Fenstern schlagen Flammen.

Zugegeben, die Darstellung der vor dem schwarzen Himmel in den Tod stürzenden Menschen ist etwas drastisch, aber in der Bildsprache des Tarot geht es um Symbole. Der Blitzeinschlag lässt eher unerwartete Ereignisse als Ursache vermuten, der radikale Umbruch kann aber auch geplant und von Menschen initiiert sein. Wir alle werden bei den Haushaltsberatungen unsere gewohnten Strukturen verlassen, vielleicht abreissen müssen. Von Grund auf neu denken. Alles einmal raus aus dem Schrank und nicht mehr alles wieder rein. Dabei werden wir entscheiden müssen, an welchen Stellen wir uns noch Extras leisten wollen und können. Noch ist nicht ‚Alarmstufe Rot’ angesagt, noch können wir eine für alle zumutbare Lösung finden. Doch wenn wir jetzt Entscheidungen auf die lange Bank schieben, droht vielleicht wirklich die Zerstörung unseres Turms und damit der Verzicht auf gewohnte Lebensqualität.
Position 7: Das ist der Fragende.
Die persönliche Einstellung des Fragestellers zum Thema
Drei der Münzen: Die Karte der kreativen Zusammenarbeit, des Voneinander-Lernens, des Teilens und Zuhörens. In fast allen Darstellungen verschiedener Tarot-Decks erschaffen die abgebildeten Personen gemeinsam etwas. Auf der hier verwendeten Karte ist eine Zeichenklasse mit Schülerin, Lehrerin und Modell zu sehen, in anderen zum Beispiel drei Baumeister, die gemeinsam an einem Spitzbogen arbeiten oder Freunde, die zusammen einen Teppich weben.

Hier geht es um die Haltung des Fragestellers und das sind in diesem Fall wir, Kati und Oliver. Wir sind der Meinung, dass der einzig sinnvolle Weg in einer Zusammenarbeit der Fraktionen besteht. Mit dem fertig abgestimmtes Haushaltsplan werden wir alle die nächsten Jahre arbeiten, die getroffenen Entscheidungen alle mittragen müssen. Hier sollten alle beteiligten Fraktionen die Möglichkeit erhalten, einzubringen, welche Bereiche ihnen besonders wichtig sind – aber auch, wo sie bereit sind, dafür auf etwas zu verzichten. So können wir gemeinsam kreative Lösungen zum Wohle unserer Stadt erarbeiten. (Genauer ausgeführt haben wir das in unserem Artikel All together now.)
Position 8: Dort findet es statt.
So sehen es andere. Hemmende oder unterstützende Impulse aus der Umwelt.
Der Eremit (in diesem Deck die Eremitin): Das Thema dieser Karte ist Rückzug. Das kann bedeuten, das man in sich geht, reflektiert oder sich eine Auszeit nimmt, kann aber auch dafür stehen, sich zu isolieren und die Verbindung zu anderen zu verlieren.

Diese Position im Keltischen Kreuz zeigt auf, was von außen kommen kann, von anderen Beteiligten, nicht vom Fragesteller selbst. Wir empfehlen eine Zusammenarbeit aller Parlamentarier, aber es kann natürlich sein, dass diese Einstellung nicht von allen Fraktionen geteilt wird. Jede Partei hat eigene Schwerpunkte, jede Fraktion eine grundsätzliche Haltung zu den Themen, die auf dem Tisch liegen. Teamwork bei einem so komplexen, politischen Thema bedeutet, sich extrem zu öffnen und gegensätzliche Meinungen genauso zu respektieren, wie die eigene. Wenn die Fraktionen sich nun, wie der Eremit, auf ihre Positionen zurückziehen, viele kleine eigene Anträge schreiben und keine Kompromisse eingehen möchten, dann ist das Projekt ‚gemeinsamer Haushalt‘ gescheitert. Wenn aber alle Beteiligten nochmal ins sich gehen und sich danach gestärkt und selbstbewusst für eine interfraktionelle Zusammenarbeit entscheiden, nutzen wir die positive Kraft des Eremiten.
Position 9: Das sind die Hoffnungen und Ängste.
Die wichtigsten Erwartungen, Wünsche oder Befürchtungen.
Der Magier (hier die Magierin): Kreation und Manifestation. Der Magier erschafft aus allen verfügbaren Energien (hier: Stäbe, Kelche, Schwerter, Münzen) etwas völlig Neues.

Wir hoffen natürlich, dass dieser Prozess gelingt! Dass wir alle unsere verschiedenen Bedürfnisse und Befürchtungen zusammenwerfen und daraus in einem gemeinsamen kreativen Prozess etwas zum Wohle unserer Stadt erarbeiten. Dabei müssen wir genau die Qualitäten nutzen, die der Magierin auf der Karte zur Verfügung stehen: Die Bodenständigkeit der Münzen, die kreative Energie der Stäbe, das ‚mit dem Herzen dabeisein‘ der Kelche und den scharfen Verstand der Schwerter.
Position 10: Dorthin führt es.
Das Ergebnis, die längerfristige Zukunftsperspektive.
Die Mäßigkeit: Eine Karte des Ausgleichs und der Harmonie, des Zusammenführens und In-Balance-Haltens verschiedener, auch gegensätzlich Aspekte. Diese Karte schlägt die Brücke zur Position 1. Im Gegensatz zum bloßen Jonglieren der Gegensätze bei den Zwei Münzen wird bei der Mäßigkeit aber aus den gegensätzlich wirkenden Teilen etwas völlig Neues erschaffen. Hier geht es um Alchemie!

Alchemie? Bedeutet das, wenn wir alles, was hier beschrieben wurde in Einklang bringen, wird Gold daraus? Wir denken: ja! Aber gelingt es uns, wirklich ALLES in Einklang zu bringen? Sicher wird es auch mal einen Knall geben und wir müssen uns Ruß aus den Gesichtern wischen. Aber alles, was wir in den kommenden Wochen beschließen werden, dient dazu, die Lebensqualität in Neu-Isenburg auch langfristig zu sichern. Für Neu-Isenburg liegt der Ursprung des bisherigen Reichtums in den hohen Gewerbesteuereinnahmen und eine moderate Erhöhung wird sich wahrscheinlich nicht mehr lange vermeiden lassen. Allerdings fließen etwa 2/3 dieser Steuereinnahmen in diverse Umlagen (z.B. Kreisumlage, Schulumlage) und stehen für uns gar nicht zur Verfügung. Gelder, die wir jedoch einsparen, bleiben zu 100% bei uns, deshalb muss auch geschaut werden, auf welche freiwilligen Leistungen wir vorerst verzichten können. Aber immer nur verzichten? Damit Neu-Isenburg weiterhin ein attraktiver Standort bleibt, sind auch die Großprojekte RTW und Kultur- und Bildungszentrum wichtig, dafür müssen wir Geld in die Hand nehmen. Ihr seht, es wird knifflig. Wir denken, wenn wir parteipolitische Interessen zurückstellen und im Interesse der Bürger zusammenarbeiten, kann es was werden.
[Kati Conrad]
Dies ist ein privates Blog. Wir sind Mitglieder der CDU-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung, schreiben hier aber nicht im Namen der Fraktion oder der Partei.
Das gezeigte Kartendeck ist das ‘Modern Witch Tarot’ von Lisa Sterle.