Am 23. November 2023 hatte die Hessische Staatskanzlei zum Kongress ‚Digitale Städte – digitale Regionen‘ eingeladen – diesmal mit dem Schwerpunktthema ‚KI und Kommunen‘. Ich war für unser Blog dabei und konnte interessante Kontakte knüpfen. Für Neu-Isenburg möchte ich das zum Anlass nehmen und einen Ausblick wagen: Kann künstliche Intelligenz unser Leben in der Stadt verbessern?



Künstliche Intelligenz (KI) war für uns immer eher ein abstrakter Begriff. Etwas, woran Forscher in weißen Kitteln hinter verschlossenen Türen arbeiten. Dann erschien vor ziemlich genau einem Jahr, Ende November 2022, der Chatbot ChatGPT auf der Bildfläche, und die im selben Jahr der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Text-zu-Bild-Generatoren Midjourney, DALL-E und Stable Diffusion wurden populär. Es schien, als hätten all diese künstlichen Intelligenzen sich jahrelang völlig unbemerkt in einem stillen Kämmerchen weiterentwickelt um sich dann der Öffentlichkeit alle gleichzeitig und mit absolut verblüffender Leistung zu präsentieren. Doch KI ist mehr als ein nettes Spielzeug.
Was ist KI überhaupt?
Eine KI ist nicht nur ein Computerprogramm oder ein Algorithmus. Vielmehr ist es der Versuch, menschliches Denken und Lernen auf den Computer zu übertragen. Tätigkeiten, die bisher nur von Menschen ausgeführt werden konnten, kann eine Maschine übernehmen, die dafür nicht immer wieder neu programmiert werden muss, sondern selbständig lernt und sich weiterentwickelt. Das Ganze geschieht mit der Geschwindigkeit moderner Prozessoren und ist deshalb besonders gut dafür geeignet, große Datenmengen zu bearbeiten, zu strukturieren, zu analysieren oder zu visualisieren.
Was bringt das für Neu-Isenburg?
Überall da, wo Informationen aus umfangreichen Daten extrahiert oder Routineaufgaben selbständig erlernt und durchgeführt werden sollen, könnte KI eingesetzt werden.
In Berlin-Tempelhof zum Beispiel stellte die Zuteilung der Kinder in Einschulungsbereiche eine umfangreiche Herausforderung dar. Schulen sollten in den jeweiligen Schulbezirken gleichmäßig ausgelastet und die Schulwege für die Kinder nicht zu lang sein. Gleichzeitig sollte auf eine soziale Durchmischung geachtet werden – diese Herausforderung gleicht einer schweren Matheaufgabe, bei der außerdem noch Straßen einzeln durchgegangen und die Parameter in riesigen Excel-Listen vermerkt werden müssen. Diese Aufgabe erledigt inzwischen eine KI basierend auf Daten des statistischen Landesamts, inklusive Aufbereitung mit Visualisierung. Die Verwaltung übernimmt nur noch das Finetuning. Vielleicht könnte die Stadtverwaltung in Neu-Isenburg auf ähnliche Weise bei einer Vergabe der Kindergartenplätze unterstützt werden?
Die Stadt Soest hat kommunale Fahrzeuge wie Müllautos und Straßenkehrmaschinen mit Kameras ausgestattet und erfasst so Straßenschäden bei ganz regulären Fahrten. Diese werden von einer KI analysiert und verschiedenen Kategorien (Schlaglöcher, Risse, etc.) zugeordnet. Die Ergebnisse werden mit einer Schulnote bewertet und in einer Online-Karte verzeichnet. In der Stadt Neu-Isenburg wurden 2006/2007 alle Neu-Isenburger Straßen nach Straßenabschnitten begangen und nach 6 Straßenzustandsklassen bewertet. Eine Aktualisierung der Daten erfolgte zuletzt 2019 durch ein von der DLB AöR beauftragten Firma – wieder mit aufwändiger Begehung und Befahrung aller Straßen. Bei der Methode aus Soest wird das Zustandskataster quasi ‚nebenbei‘ auf aktuellem Stand gehalten und dringend notwendige Ausbesserungen können schneller erkannt und durchgeführt werden.
Am Fraunhofer Institut wird gerade der Einsatz künstlicher Intelligenz bei Ampelanlagen erforscht. Ampelsteuerungen funktionieren normalerweise streng regelbasiert und in den Asphalt eingelassene Sensoren bilden Verkehrssituationen nur grob ab. Implementiert man stattdessen hochauflösende Kameras und Radarsensorik, kann das Verkehrgeschehen (z.B. Anzahl wartender Fahrzeuge an Ampeln, durchschnittliche Geschwindigkeit) genau und in Echtzeit erfasst werden. Kombiniert mit KI werden so starre Steuerungsregeln ersetzt. So konnte in Simulationen der Verkehrsfluss bereits um 10 bis 15 Prozent verbessert werden. Ein mögliches Einsatzgebiet wäre die Ortsdurchfahrt Carl-Ulrich-Straße/Friedhofstraße – eine Strecke mit komplexen Herausforderungen: Hier soll nicht nur irgendwann die RTW entlangfahren, was Einfluss auf die Ampelsteuerung hat – auch zwei Radwege und die Rettungswege gilt es zu berücksichtigen.
Ein weiteres Einsatzgebiet für KI in Kommunen bzw. Landkreisen ist die komplexe und fehleranfällige Genehmigung von Bauanträgen. Vor der Entscheidung, die nach wie vor von einem Menschen getroffen wird, können die Eingaben bereits automatisiert auf Vollständigkeit, Gesetzeskonformität etc. geprüft und notwendige Korrekturen veranlasst werden. Dadurch wird der Prozess für den Antragsteller einfacher, während die Qualität des Antrags für die Sachbearbeiter der Stadt erhöht wird. Das spart für alle Zeit und Arbeit. Dieses Verfahren erprobt die Stadt Wien gerade mit den Projekt BRISE.
Auch bei der Planung neuer Stadtquartiere wie unserer ‚Neuen Welt‘ im Süden der Stadt hätte die Planung KI-unterstützt erfolgen können, um auf bestimmte Herausforderungen besser vorbereitet zu sein: Welchen Einfluss hat zusätzlicher Wohnraum auf die umliegenden Strukturen? Reicht die vorhandene Infrastruktur aus? Wie wird das lokale Klima beeinflusst und wie sollte in diesem Zusammenhang eine Bepflanzung gestaltet werden? All das kann vorab von einer KI analysiert und simuliert werden.
Werden wir dann bald alle durch Maschinen ersetzt?
Im Juni 1967 wurde in London der erste Geldautomat aufgestellt. Seitdem hat diese Erfindung viele Mitarbeiter an Bankschaltern überflüssig gemacht – und ist selbst gerade auf dem Weg, durch zunehmend digitalen Zahlungsverkehr überflüssig gemacht zu werden. Trotzdem ist der Beruf der Bankangestellten nicht ausgestorben. Vielmehr haben die Mitarbeiter Zeit gewonnen, sich auf andere Tätigkeiten zu konzentrieren, wie zum Beispiel die Kundenberatung.
Ebensowenig hat die Erfindung der Fotografie, wie im 19. Jahrhundert befürchtet, die Malerei überflüssig gemacht, sondern sie stattdessen von der Verpflichtung entbunden, die Realität so exakt wie möglich abzubilden. Eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung abstrakter Kunst.
Unsere Gesellschaft ist einem stetigen Wandel unterworfen und wir Menschen werden immer unseren Platz darin finden, denn wir selbst rufen diesen Wandel ja hervor. Wir sind keine Opfer, die sich von Robotern versklaven lassen – wir entwickeln uns einfach nur weiter. Zu dieser Entwicklung gehört es dazu, dass wir uns an manchen Stellen selbst „überflüssig“ zu machen, um uns auf neue Herausforderungen zu konzentrieren, andere Wege beschreiten und Innovationen voranbringen zu können. Wo Maschinen uns zeitintensive, langweilige Tätigkeiten abnehmen, können wir nicht nur unsere Arbeit interessanter gestalten – wir haben auch Aussicht auf mehr Freizeit. Wir haben mehr Zeit für Familie, Freunde, Kultur, Hobby, Ehrenamt. Deshalb ist es für kommende Generationen wichtig, jetzt schon Begegnungsräume, Dritte Orte zu schaffen, wie wir es ja gerade mit dem Umbau von Hugenottenhalle und Stadtbibliothek zu einem Kultur- und Bildungszentrum in Angriff nehmen. Wir schauen deshalb optimistisch in die digitale Zukunft.
[Kati Conrad]
Dies ist ein privates Blog. Wir sind Mitglieder der CDU-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung, schreiben hier aber nicht im Namen der Fraktion oder der Partei.
Auch viele Bilder in unserem Blog wurden übrigens mit einer KI erzeugt, zum Beispiel das Titelbild zu diesem Beitrag.