Das kommunalpolitische Jahr 2024 ist abgeschlossen! Zwei Dinge erwarten uns jedes Jahr in der Dezember-Stadtverordnetenversammlung: Weihnachtssterne für alle und die Abstimmung über den städtischen Haushalt. Für letzteres ist den Stadtverordneten gemäß der hessischen Gemeindeordnung ein aus der mittelfristigen Finanzplanung der nächsten 5 Jahre abgeleiteter Haushaltsplan vorzulegen auf dessen Basis über die Einnahmen und Ausgaben der kommenden Haushaltsjahre entschieden werden muss.
Natürlich haben die im Stadtparlament vertretenen Fraktionen unterschiedliche Vorstellungen, wo Ausgabenschwerpunkte gesetzt werden sollten, doch in den vergangenen Jahren gab es einen weitgehend fraktionsübergreifenden Konsens zu den großen Projekten wie RTW, Umbau der Hugenottenhalle und Stadtumbau. Leider ging dennoch in diesem Jahr, der vorweihnachtlichen Stimmung zum Trotz, zwischen Regierungskoalition und Opposition ein Riss durchs Parlament. Der Haushalt wurde nur mit den Stimmen der Koalition beschlossen und von den Oppositionsfraktionen abgelehnt.
Wie kam es dazu? Unser Meinung nach gab es drei Gründe für die Opposition, den Haushalt abzulehnen, während gleichzeitig die Koalition trotz aller Ungereimtheiten am eingeschlagenen Kurs festhielt.
Die drei Gründe sind unzureichende Einsparmaßnahmen, unvollständige Planung der Finanzausgaben und Distanzierung von beschlossenen Investitionsprojekten:
Die erfolglose Suche nach Sparmaßnahmen
Bereits in der Dezembersitzung der Stadtverordnetenversammlung vor zwei Jahren wurde der Magistrat beauftragt, Konsolidierungsvorschläge zu erarbeiten, um Steuererhöhungen zu vermeiden. 2023 hatte sich daraufhin der Kämmerer mit den Dezernenten beraten und ist am Ende des Jahres ohne Ergebnis zurückgekommen. In der Folge wurde der Gewerbesteuerhebesatz von 330 auf 345 Punkte angehoben.
In diesem Jahr wurde dann mit großem Aufwand in der AG Konsolidierung über viele Kleinstmaßnahmen und über versäumte Gebührenerhöhungen gesprochen. Im Ergebnis sind mittlerweile verschiedene Gebühren angehoben worden, große Einsparmaßnahmen aber weiter ausgeblieben. Der Gewerbesteuerhebesatz wurde abermals raufgesetzt, diesmal von 345 auf 360 Punkte.
Unsere Fraktion DIE YSENBURGER! hat mehrere Vorschläge eingebracht, wie Einsparpotenziale zielgerichteter ermittelt und nachhaltiger eingeführt werden könnten:
- Der hessische Rechnungshof hat der Stadt eine Auswertung zur Verfügung gestellt, die aufzeigt in welchen Bereichen Neu-Isenburg Leistungen wesentlich teuer erbringt als vergleichbare Städte. Unser Vorschlag, den Ursachen dafür durch eine vertiefte Untersuchung auf den Grund zu gehen, wurde abgelehnt.
- Um systematisch nach Einsparpotentialen zu suchen, hatten wir um eine Aufstellung aller freiwilligen städtischen Leistungen und ihrem jeweiligen Defizit gebeten. Damit hätte sich ein Überblick über das Gesamteinsparpotential in diesem Bereich ergeben und man wäre schnell in der Lage gewesen, sich auf die größten Defizite zu konzentrieren und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Doch auch nach zwei Jahren Konsolidierung steht eine solche Zusammenstellung nicht zur Verfügung.
- Die Personalaufwände bilden den größten Anteil an den Ausgabensteigerungen. Zusätzlich werden in den nächsten Jahren ca. 40% der städtischen Mitarbeiter in Ruhestand gehen. Wir hatten beantragt, hier ein gesamtheitliches Konzept zu entwickeln, das eine zukunftsfähige Verwaltungsstruktur mit reduziertem Aufgabenumfang und Arbeitsvereinfachungen durch Digitalisierung verbindet. Damit sollte erreicht werden, dass Personalabbau nicht zu Lasten der verbleibenden Mitarbeiter umgesetzt wird. Die aktuelle Stellenwiederbesetzungssperre führt zu Mehrbelastung der verbleibenden Verwaltungsmitarbeiter, teilweise zu Überlastung und Ausfällen, was wiederum die Situation weiter verschärft. Auch dieser Antrag wurde abgelehnt.
- Einer der größten Ausgabenpositionen ist die städtische Beteiligung an der Finanzierung der Regionaltangente West. Wir hatten anlässlich der aktuellen Verdopplung der Kosten auf 45 Millionen Euro beantragt, unsere Finanzierungsverpflichtung analog der von Dreieich wieder zurück an den Kreis Offenbach zu übergeben. Mit der Begründung, dass der Kreis Offenbach das vielleicht nicht übernehmen möchte wurde auch dieser Antrag abgelehnt.
In diesem Jahr änderte sich dann die Erzählung zum Haushaltsdefizit von Ausgaben- zu Einnahmenproblem. Der Kämmerer hatte für dieses Jahr Einnahmeausfälle von 50 Millionen Euro Gewerbesteuer prognostiziert und eine pauschale Haushaltssperre verhängt. Glücklicherweise hat sich die Prognose nicht bewahrheitet und auch in diesem Jahr konnte die Stadt wieder wie geplant Gewerbesteuereinnahmen von über 100 Millionen Euro verbuchen. Mit der Haushaltssperre wurden vorgeblich 1,3 Millionen Euro eingespart, an konkreten Ausgabestreichungen lässt sich das auf Nachfrage allerding nicht festmachen. So bleibt die Unsicherheit, ob es sich hierbei wirklich um Einsparungen handelt oder ob nicht stattdessen Überbudgetierungen wie in den vergangenen Jahren dahinterstecken.
Neben Personalkosten und Umlageverpflichtungen (dazu gehören Kreisumlage, Schulumlage und weitere Abgaben der Kommune an den Kreis) stellen Sach- und Dienstleistungen (z.B. Miete und Unterhaltung von Gebäuden, in der Verwaltung benötigte Materialien, etc.) bzw. Zuweisungen (Zuschüsse an Vereine, Kindereinrichtungen, soziale und kulturelle Aktivitäten und als größter Einzelposten Erstattungen an den DLB) die größten Ausgabearten mit jeweils ca. 20 Millionen Euro jährlich dar. Beide Ausgabepositionen steigen weiterhin und die ins Jahr 2025 verlängerte Haushaltssperre bleibt ohne Effekt für die Haushaltsplanung. Stattdessen plant der Kämmerer nun mit einer weiteren Erhöhung der Gewerbesteuer in 2026 auf dann 462 Punkte und auch die Grundsteuer soll in den nächsten Jahren stufenweise von heute 350 auf 550 Punkte steigen.
Lückenhafte statt vorausschauende Finanzplanung
Schon Anfang 2023 wurde durch Beantwortung des damaligen Koalitionsantrags zur Entwicklungsplanung deutlich, dass für viele zuvor beschlossene Projekte der Stadtentwicklung keine entsprechenden Mittel in der Finanzplanung bereitgestellt sind. In einer vorausschauenden Finanzplanung sollten solche zukünftigen Ausgaben berücksichtigt werden, um frühzeitig finanzielle Belastungsspitzen zu erkennen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Andernfalls droht die Verschiebung oder gar die Aufgabe notwendiger Investitionen.
Für die diesjährigen Haushaltsplanberatungen hat der Kämmerer erklärt, dass die angekündigte Kostenverdopplung der RTW von 22 auf 45 Millionen Euro nicht im Haushalt darstellbar ist. Trotzdem hat er anschließend in der Gesellschafterversammlung der Übernahme der zusätzlichen Kosten durch die Stadt zugestimmt. Eine Auflösung dieses Widerspruchs wurde den Stadtverordneten zur Haushaltsberatung nicht geliefert. Artikuliert wurden bisher nur die Hoffnung, dass sich ggfs. die Kosten für den Straßenumbau im Rahmen der RTW verschieben, ohne sagen zu können wie lang eine Verschiebung für die Finanzierungfähigkeit von Schiene und Straße sein müsste. Alternativ hofft man auf Kosteneinsparungen durch eine mögliche Änderung des Straßenumbauentwurfs oder Ausnahmegenehmigungen zum Haushaltsausgleich. Der Plan zum Straßenumbau sollte eigentlich jetzt fertiggestellt werden, damit im ersten Quartal nächsten Jahres die Planfeststellung für die RTW-Verlängerung bis ins Birkengewann eröffnet werden kann. Eine Änderung jetzt würde zu erheblichen Verzögerungen und damit zu weiteren Kostensteigerungen führen, der bisherige städtebauliche Konsens würde aufgekündigt. Anders als bei den bisher geplanten Projekten, die im Haushalt trotz Stadtverordnetenbeschluss nicht abgebildet wurden, ist bei der RTW-Budgeterhöhung jetzt eine Kostenübernahme erklärt worden, obwohl auch hierfür keine Mittel im Haushalt zur Verfügung stehen. Die Koalition hat dem Haushalt trotzdem zugestimmt. Wer mehr darüber wissen möchte, dem empfehlen wir unsere Artikel RTW: Notbremsung erforderlich! und RTW: Wer zahlt dafür?.
Der heimliche Ausstieg aus Zukunftsinvestitionen
Obwohl viele Sach- und Finanzierungsfragen noch ungeklärt sind, hat sich der Magistrat jetzt eine De-Priorisierung des Umbaus der Hugenottenhalle und des Stadtumbauprojektes (dazu gehört der Alte Ort, der barrierefrei gepflastert werden sollte) zugunsten der RTW durch die Koalition absegnen lassen und damit den stillen Ausstieg aus den runterpriorisierten Projekten eingeleitet.
Wie gesagt ist die Finanzierung der RTW noch nicht in der Finanzplanung berücksichtigt – wie das nachgeholt werden kann, ist noch offen. Klar ist nur, dass in der Planung im Zusammenhang mit dem Straßenumbau Verzögerungen eingetreten sind und eine Realisierung eher später und in mehreren Bauabschnitten erfolgen wird. Das hat zunächst keinen Einfluss auf den 45-Millionen-Finanzierungsanteil Neu-Isenburgs an der Schiene, könnte aber die von Neu-Isenburg zu tragenden Straßenumbaukosten zeitlich verschieben. Wie lange? Noch unbekannt. Ob sich die Hoffnungen auf Entlastungen bei der Finanzierung des Schienenanteils erfüllen – noch offen. Welche Erleichterung für die RTW-Finanzierung auch gefunden werden wird, die Finanzierung erfolgt über ca. 30 Jahre im Haushalt investiv über Kredite. Wenn der Umbau der Hugenottenhalle oder das Stadtumbauprojekt erst danach angegangen werden, ist die Halle bis dahin schon längst geschlossen und die Fördermittel für das Stadtumbauprojekt verfallen.
Auch für den Umbau der Hugenottenhalle sind wesentliche Informationen für eine De-Priorisierungsentscheidung noch nicht verfügbar. Der Koalitionsantrag zur Prüfung der Finanzierung des Umbaus über Dritte und unsere Anfrage dazu wurden noch nicht beantwortet. Weder die Kosten für den Umbau noch für die notwendige Sanierung der Halle sind in der Finanzplanung aufgenommen worden. Unser Antrag dazu wurde abgelehnt. Aktuell ist noch ein Gutachten in Erstellung, das die möglichen Auswirkungen von Reparaturmaßnahmen auf den Bestandschutz der Halle haben werden. Ggfs. fällt dieser weg und weitere Sanierungen müssen dann verpflichtend angegangen werden, wie beispielsweise die Fassade. Schlimmstenfalls muss die Halle muss geschlossen werden. Darüber berichteten wir ausführlicher hier.
In der Entscheidungsvorlage zur Priorisierung fehlt eine klare Festlegung, was letztendlich priorisiert werden soll. Sind es die finanziellen Mittel, verfügbare Mitarbeiter oder die zeitliche Realisierung, die entsprechend der Priorität den Projekten zugeordnet werden soll? In diesem Punkt bleibt die Drucksache uneindeutig. Beschlossen wurde sie dennoch, mit Gegenstimmen aus der Opposition. Auch unser Antrag, die Drucksache nochmals in den Ausschüssen zu beraten, wenn die fehlenden Informationen verfügbar sind, wurde abgelehnt. Dabei war die Beratung in der vorangegangenen Haushaltsklausur nicht möglich gewesen, da das Dokument erst spontan als Tischvorlage reingekommen war. Insgesamt entstand der Eindruck, die Drucksache sollte schnellstmöglich durchgepeitscht werden, obwohl die Grundlage für den Beschluss eigentlich fehlte.
Wie geht es weiter?
Mit den Entscheidungen in der letzten Stadtverordnetenversammlung wird der Kurs auf weitere Steuer- und Gebührenerhöhungen bestätigt, die Konsolidierungsbemühungen werden ohne erfolgversprechende Struktur und ohne Ambition fortgesetzt, Investitionsprojekte werden verschoben oder ausgesetzt. Über diese Zukunftsperspektive kann auch der Weihnachtsstern nicht hinwegtrösten.
In der letzten Sitzung des Jahres musste sich die Koalitionsmehrheit bislang nur mit der Opposition, im nächsten Jahr wird sie sich dagegen mit der Realität auseinandersetzen müssen. Dann müssen die offenen Fragen und Widersprüchlichkeiten geklärt, aufgelöst und den Bürgern vermittelt werden. Der Doppelhaushalt 2026/2027 steht dann wieder im Dezember nächsten Jahres an und ist gleichzeitig der letzte Haushalt vor der Kommunalwahl im Frühjahr 2026.
Google sagt, die Pflanze Weihnachtsstern symbolisiert guten Willen und Gemeinschaftssinn. Wir setzen weiterhin auf Offenheit und den Dialog der Fraktionen untereinander. Wir werden nicht nachlassen und an allen Themen dranbleiben. Auch im nächsten Jahr werden wir über Anfragen und Anträge die Diskussion zu Sachthemen in die Öffentlichkeit tragen. Wir sind überzeugt unsere Stadt kann mehr.
Euch, liebe Leser wünschen wir einen guten Rutsch ins neue Jahr. Danke, dass Ihr uns 2024 begleitet habt – in einem Jahr, das auch für uns beide, Kati und Oliver, mit dem Ausstieg aus der CDU und der Gründung unserer eigen Fraktion DIE YSENBURGER! sehr turbulent war. Wir freuen uns, 2025 weiterzumachen. Bis dahin passt auf Euch auf!
[Kati Conrad, Oliver Hatzfeld]