RTW: Notbremsung erforderlich!

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Das Budget für den Bau der RTW soll um weitere Millionen aufgestockt werden. Der Verbleib des finanziell angeschlagenen Neu-Isenburgs in der Gesellschaft gefährdet somit das gesamte Projekt.

Aber fangen wir von vorne an.

Als Ende der 60er Jahre das S-Bahn-Netz Rhein-Main geplant wurde, wurden alle Verbindungen sternförmig auf Frankfurt ausgerichtet – doch die Nachfrage am ÖPNV stieg, Wirtschaftsstandorte außerhalb Frankfurts gewannen an Bedeutung, und es kam zur Überlastung des Netzes, vor allem an wichtigen Knotenpunkten. So wurde vor rund 30 Jahren schließlich die Idee der Regionaltangenten geboren: Strecken, die die Strahlen des Sterns direkt miteinander verbinden. Eine davon ist die Regionaltangente West (RTW), die unter anderem Bad Homburg, Eschborn, Frankfurt Höchst, den Flughafen, das Stadion, Neu-Isenburg und Dreieich-Buchschlag miteinander verbinden soll. Die konkrete Realisierungs-Planung begann bereits vor 10 Jahren und ist sehr komplex. In Neu-Isenburg ist damit der komplette Umbau der Carl-Ulrich-Straße und Friedhofstraße verbunden, denn die Strecke soll vom Neu-Isenburger Bahnhof bis ins Birkengewann führen. 

Nach scheinbar endlos langer Planungszeit begannen im Februar 2022 im Wald an der Kleingartenanlage Fischer-Lucius endlich die Bauarbeiten – und schon ist das Projekt für Neu-Isenburg wieder akut gefährdet! Die Gewerbesteuereinnahmen brechen ein, während die in „fetten“ Jahren beschlossenen, sehr hohen Ausgaben weiterhin bestehen bleiben. Mit Konsolidierungsmaßnahmen beschäftigt sich derzeit eine Arbeitsgruppe, außerdem besteht eine Haushaltssperre. Budgets werden um 20% gekürzt, Ausgaben über 5000 Euro müssen von der Kämmerei genehmigt werden. Mitten in dieses finanzielle Desaster kommt nun die Ankündigung, dass die Gesellschafter der RTW ihr Budget drastisch aufstocken sollen.

Um ein positives politisches Signal zu setzen, ist die Stadt Neu-Isenburg vor fast genau zehn Jahren der Gesellschaft beigetreten, die sich mit der Planung, Bau und Betrieb der RTW beschäftigen sollte. Stammeinlage damals: 400 Euro. Damit verbunden war die Verpflichtung, sich mit 1,4 Millionen an den Planungskosten zu beteiligen. Seitdem wurden die Aufgaben der Gesellschaft in mehreren Vertragsänderungen immer wieder erweitert, nach der Planung kam der Bau hinzu und auch die Kosten für Neu-Isenburg stiegen jedesmal. Nun wurde bekannt, dass auch das aktuell beschlossene Budget in Höhe von 298 Millionen nicht ausreicht, weitere 304 Millionen sollen die Gesellschafter aufbringen. Für Neu-Isenburg würde das eine Anhebung der Kosten von 22 Millionen auf 45,2 Millionen bedeuten. Dem müssen alle Gesellschafter zustimmen.

Und auch mit dieser Verdopplung der Kosten ist noch kein Ende in Sicht. Bedingt durch Fachkräftemangel und gestiegene Baukosten sind weitere Erhöhungen wahrscheinlich. Die Kosten geraten außer Kontrolle, immer wieder werden von den Gesellschaftern Millionenbeiträge gefordert, während auf der anderen Seite in der Stadt freiwillige Leistungen und Zuschüsse gekürzt werden und Steuerhöhungen drohen, die den Bürgern und Unternehmen richtig wehtun. 

Der Verbleib Neu-Isenburgs in der Gesellschaft gefährdet nun die Umsetzung der gesamten RTW – und umgekehrt verhindert die ausufernde Finanzierung des Projekts die Weiterentwicklung unserer Stadt in anderen Bereichen. Die Hugenottenhalle soll zum Kultur- und Bildungszentrum umgebaut, der Alte Ort barrierefrei gepflastert und die Frankfurter Straße neu gestaltet werden. Dafür würde das Geld dann fehlen. Der enormen finanziellen Belastung durch die RTW stehen keinerlei Privilegien als Gesellschafter gegenüber, da wir zwar mit 7,6 Prozent an den Kosten, aber nur mit 1,3 Prozent an den Abstimmungen beteiligt sind. Die Planfeststellung der Streckenführung durch Neu-Isenburg verzögerte sich mehrfach und bis heute wurde kein konkretes Datum genannt, wann es losgeht. Auch die Planung des Straßenumbaus der Ortsdurchfahrt durch die RTW GmbH hat sich mehrfach verzögert und bis heute konnte kein Fertigstellungdatum genannt und keine Kostenschätzung zur Verfügung gestellt werden. Dem Wunsch nach einer möglichst kurzen Bauzeit auf der stark genutzten Carl-Ulrich- und Friedhofstraße wird wohl ebenfalls nicht entsprochen werden. Die RTW plant stattdessen mit mehreren Bauabschnitten, Interimsbauwerken und einer Bauzeit über mehrere Jahre.

Klingt schrecklich, aber: Dem Mammutprojekt RTW nun eine komplette Absage zu erteilen, wäre fatal. Wenn wir als Gesellschafter der Budgeterhöhung nicht zustimmen, kommt es zu Bauunterbrechungen, bis eine Lösung gefunden wurde. Das kostet Zeit und vor allem Geld, gefährdet schließlich sogar das gesamte Projekt. Dabei ist die neue Bahn auch ein wichtiges Infrastrukturprojekt für uns. Die Straßen sollen vom Autoverkehr entlastet werden und für die Industriegebiete wäre die Anbindung ein riesiges Standort-Plus (wir erinnern uns, die Gewerbesteuer ist unsere größte Einnahmequelle und einige große Unternehmen wie Lorenz und Aramark haben Neu-Isenburg bereits verlassen). Dazu kommt die Tatsache, dass wir auch schon einige Millionen dafür ausgegeben haben.

Der für uns einzig sinnvolle Weg ist der einvernehmliche Ausstieg aus der RTW-Planungsgesellschaft. Für unsere Nachbarstadt Dreieich, die kein Mitglied der RTW Planungsgesellschaft ist, übernimmt der Kreis Offenbach den Kostenanteil…und damit über die Kreisumlage sogar anteilig wir Neu-Isenburger – zusätzlich! Auch ohne Gesellschafteranteile beteiligt Neu-Isenburg sich weiterhin über diese Umlage an den RTW-Kosten. Sie ist verpflichtend, über sie zahlt die Stadt Neu-Isenburg immer noch den größten Anteil aller vom Kreis finanzierten Projekte. Die Höhe der Umlage berechnet sich nach der Höhe der Gewerbesteuereinnahmen – und die sind immer noch spitze im Kreis. Es sind die hohen Ausgaben, die für die finanzielle Schieflage Neu-Isenburgs verantwortlich sind.

Für unsere Fraktion DIE YSENBURGER! ist nun der geeignete Zeitpunkt, die Notbremse zu ziehen und die Gesellschafteranteile der Stadt Neu-Isenburg an den Kreis Offenbach abzugeben. Der Zeitpunkt, darüber zu verhandeln, ist nun günstig, da für die Aufstockung der Umlagen ein einstimmiger Gesellschafterbeschluss notwendig ist und der Vertrag sowieso geändert werden muss. Das haben wir zur Stadtverordnetenversammlung am 6. November beantragt.

Unseren kompletten Antrag findet Ihr hier.

Weitere Informationen zur RTW gibt es hier und hier.

Unsere Idee, wie wir die hohen Ausgaben verringern, könnt Ihr hier nachlesen.

[Kati Conrad, Oliver Hatzfeld]

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