Wir befinden uns im Jahre 2024 n. Chr. Ganz Neu-Isenburg lebt zufrieden und fröhlich in den Tag hinein…
Ganz Neu-Isenburg? Nein! Ein von unbeugsamen Zeppelinheimern bevölkerter Stadtteil hört nicht auf, Widerstand zu leisten.
Als im Mai 2023 von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen wurde, nach der Einführung des Hoppers die Buslinie 52 samstags einzuschränken und sonntags komplett zu streichen, waren die Bewohner des Stadtteils Zeppelinheim nicht nur frustriert, sondern teilweise auch ohne Auto von der restlichen Welt abgeschnitten. Der Hopper steuerte Zeppelinheim nicht zuverlässig an, die ausschließlich digitale Buchung und Bezahlung stellte für manche Bürger ein Problem dar.
Nach der Einstellung der Buslinie 64 und der erfolglosen Bitte um eine Lösung für die Nahversorgung entstand im Ortsteil nun endgültig der Eindruck, dass Zeppelinheimer Bedürfnisse in der Kernstadt kein Gehör finden und die Interessenbündelung über den Ortsbeirat nicht ausreicht. So gründete sich im Januar 2024 BiZepps, die Bürgerinitiative für Zeppelinheim. Mit einer Online-Petition und in zahlreichen Gesprächen gelang es ihnen im Sommer 2024 über 850 Unterschriften für die Weiterentwicklung Zeppelinheims zu sammeln. Die Forderung nach der Wiedereinführung der Buslinie 52 an Wochenenden hat Wirkung erzielt.
Die dem Bürgermeister und ersten Stadtrat übergebenen Unterschriften haben tatsächlich bei den beiden Hauptamtlichen zum Umdenken geführt, der Erste Stadtrat hat sich daraufhin vom Geschäftsführer der Stadtwerke ein Modell zu Wiedereinführung der Buslinie an Wochenenden berechnen lassen, dem anschließend von der Stadtverordnetenversammlung zugestimmt wurde.
Wir sprachen mit Christine Wohlgezogen, Roger Fink und Meinrad Schneider von der Bürgerinitiative Zeppelinheims: BiZepps.
YYNI: Glückwunsch, die Buslinie 52 wird am Wochenende wiedereingeführt! Löst sich Eure Initiativenun direkt wieder auf?
Meinrad Schneider: Oh, da liegt noch sehr viel mehr im Argen. Zum Beispiel die fehlende Nahversorgung. Lange Zeit war der digitale Minisupermarkt Teo im Gespräch, aber schon beim Standort begannen die Probleme. Der Ortseingang zur B44 war angedacht, doch hier die Straße zu überqueren, ist für Fußgänger gefährlich. Auch heute schon laufen dort Jugendliche, die vom Sportplatz kommen, ohne Fußgängerüberweg über die Straße. Seit Jahrzehnten passiert dort nichts
YYNI: Auch der Autoverkehr hätte mit einer Zufahrt ja sinnvoll an den Teo angebunden werden müssen…
Roger Fink: Ein Kreisel wäre eine Möglichkeit gewesen, doch seitens der Stadt hieß es, das sei zu teuer – und falls der Minisupermarkt sich nicht bewährt hätte, wäre diese Investition futsch. Wir denken, die Investition wäre auch ohne Teo sinnvoll wegen des eben erwähnten gefährlichen Übergangs. Ansonsten hätte nicht viel erschlossen werden müssen. Digitale und personalfreie Minimärkte, sogenannte Smart Stores, brauchen nur Strom, kein Abwasser. Wenn sich ein solches Konzept tatsächlich nicht lohnen würde, könnte dort eine Ladestation für E-Fahrzeuge entstehen.

YYNI: Würden die Zeppelinheimer einen Smart Store denn auch tatsächlich nutzen? Die Auswahl ist klein und teurer als im großen Supermarkt – für den Wochenendeinkauf ist das nicht attraktiv.
Roger Fink: Wir sind insgesamt nur 1500 Einwohner im Stadtteil, eine riesige Nachfrage wird es dahernie geben, auch nicht bei der Buslinie. Doch wir haben in Zeppelinheim einfach gar keine Möglichkeit, mal schnell ein paar Dinge einzukaufen, und das schon seit über 10 Jahren, seit der letzte Ladenbetreiber in Rente ging. Der Minisupermarkt wird ohne Personal betrieben und ist nach der Änderung des Ladenöffnungsgesetzes rund um die Uhr zugänglich. Hier könnten sogar Bewohner der Kernstadt noch sonntags oder spät abends den vergessenen Liter Milch holen. Außerdem kommt noch ein weiterer Punkt dazu, der uns beunruhigt: Die Kinder in Zeppelinheim werden durch die bestehende Konstellation sehr unselbständig, müssen überall mit dem Auto hingefahren werden, können sich nicht mal schnell alleine ein Eis oder was zu trinken holen.
YYNI: Mit dem Fahrrad ist es für Kinder leider auch zu gefährlich, der einzige Weg in die Kernstadt führt durch den Wald, ist schlecht ausgeschildert und im Dunkeln nicht beleuchtet.
Meinrad Schneider: Ja, und etwa 7 km lang. Eine sinnvolle Fahrradwege-Struktur fehlt auch. Ein asphaltierter und gut beleuchteter Weg. Den Fahrradweg aus Mörfelden könnte man beispielsweise fortsetzen in die Kernstadt. Die Brücke über die B44 ist bisher weder fahrradtauglich noch behindertengerecht. Irgendwie hängen alle Probleme zusammen.
Roger Fink: Ja, und ob Probleme angegangen werden, wird von Nicht-Zeppelinheimern entschieden. Nach der Eingemeindung 1977 kamen wir mit gutem Tafelsilber, wir waren durch die Anteile am Flughafen die reichste Gemeinde Deutschlands. Heute haben wir keine Nahversorgung mehr, keine Bankfiliale. Wir finanzieren als Zeppelinheimer Bürger über Steuern alle Projekte in der Kernstadt mit, auch wenn wir gar nichts davon haben. Die RTW zum Beispiel. Wir aber mussten für eine Buslinie am Sonntag kämpfen. Da fühlen wir uns abgehängt!
Meinrad Schneider: Das Problem besteht auch nicht erst seit der Haushaltskonsolidierung, Geld war jahrelang reichlich vorhanden – aber niemand fragt uns Bürger, was wir brauchen!
YYNI: Die Stadt hat vermutlich Angst, Begehrlichkeiten zu wecken. Wir finanzieren alles durch Gewerbesteuereinnahmen. Doch unsere Gewerbegebiete sind nicht auf dem neuesten Stand, erfüllen die Anforderungen an Nachhaltigkeit und Infrastruktur für viele Unternehmen nicht mehr. Das sieht man am Wegzug wichtiger Unternehmen wie Lorenz, Aramark und Café Ernst. Wenn die Stadt jetzt nicht handelt, fehlt das Geld natürlich auch für die Ortsteile.
Roger Fink: Aus unserer Sicht sollte Zeppelinheim mal ganzheitlich betrachtet werden. Wir brauchen ein Konzept, wie unsere Probleme im Sinne der Bürger gelöst werden können. Zurzeit sieht man einfach keine Entwicklung.
YYNI: Ja, für die Politik ist die Nachfrage schwer einzuschätzen, ein Entwicklungsplan zur Strukturverbesserung erfordert Eure Mitarbeit als Verbindung zu den Bürgern im Stadtteil! Ihr habt ja schon mal einige Themen zusammengetragen, die zusätzlich zur Nahversorgung noch die Fußgängerüberwege, Radwegeverbindungen, Bushaltestellen, die Brücke über die B44 und den Bahnhof Zeppelinheim betreffen. Wie wollt Ihr denn nun weiter vorgehen? Ihr wollt ja sicher nicht zu allen Punkten Unterschriften sammeln…
Christine Wohlgezogen: Wir haben in einem gemeinsamen Gespräch mit dem Bürgermeister, dem Ersten Stadtrat und dem Ortsbeiratsvorsitzenden ein Gesamtkonzept für Zeppelinheim mit Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Stadtteils gefordert. Der Ortsbeirat soll dabei die Interessen der Zeppelinheimer Bürger bündeln und an die Stadt weiterleiten. Für die Nahversorgung wünschen wir uns eine Datenerhebung zum optimalen Standort und zur Nachfrage, dann eine offene Ausschreibung für einen personalfreien Lebensmittelmarkt durch die Stadt Neu-Isenburg. Mobilitätsthemen sind oftmals sehr komplex, hier fehlt uns ein Ansprechpartner der Stadtverwaltung. Wir haben eine koordinierende Stelle vorgeschlagen, die sich aus unserer Sicht durch die Vermeidung von Planungsfehlern und daraus entstehenden Kosten bezahlt machen wird. Ganz allgemein fordern wir eine Bürgerversammlung zu allen Themen der Weiterentwicklung unseres Stadtteils. Wir wären bereit die Themen vor- und nachzubereiten und auch die Moderation zu übernehmen. Leider konnten wir die Stadtspitze noch nicht davon überzeugen. Vielleicht rufen wir dazu eine weitere Petition ins Leben?
YYNI: Ihr habt ja noch einiges vor und wir sind sehr gespannt, wie es weitergeht in Zeppelinheim. Wir bleiben dazu auf jeden Fall im Austausch. Vielen Dank für das Interview!

[Kati Conrad, Oliver Hatzfeld]