Das Parlament soll den Haushalt vor dem Untergang bewahren

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Stetig steigende Ausgaben versenken den Haushalt der Stadt zunehmend und bedrohen die Umsetzung essentieller Zukunftsprojekte wie die Umgestaltung der Ortsdurchfahrt Carl-Ulrich-Straße/Friedhofstraße im Rahmen des Baus der RTW und den Umbau der Stadtbibliothek und Hugenottenhalle zum Kultur- und Bildungszentrum.

Dabei geht es dem Haushalt wie einem überladenen Tanker mit zu viel Tiefgang, der sich gerade so über der Wasserlinie halten kann. Der kleinste Wellengang führt dann zum Wassereinbruch über die Bordkante. Schon jetzt sind die laufenden Kosten so hoch, dass trotz außerordentlich guter Steuereinnahmen der Bestand an Zahlungsmitteln seit 2021 von 98 Millionen Euro bis 2025 auf 18 Millionen Euro aufgebraucht werden soll. Der Wassereinbruch findet sinnbildlich bereits statt.

Im Dezember 2022 zeichnete sich die aufkommende Schieflage bereits ab (wir berichteten). Die Stadtverordnetenversammlung hatte deshalb den Magistrat mit der Erarbeitung eines Konsolidierungshaushalts beauftragt. Ballast sollte abgeworfen werden. Leider vergeblich, kein Dezernat war Willens oder in der Lage den Ausgabenansatz im Doppelhaushalts 2024/2025 unter das Ausgabeergebnis von 2022 zu drücken. Ganz im Gegenteil, der vom Kämmerer vorgelegte Doppelhaushalt weist weiter steigende Kosten aus, der Löwenanteil mit ca. 80% der Kostensteigerungen geht dabei auf das Konto der Fachbereiche Personal sowie Kinder und Jugend.

Es besteht akuter Handlungsbedarf um den Haushalt wieder in eine nachhaltig zukunftsfähige Struktur zu bringen, das Schiff wieder flott zu machen. Die Diskussion darüber ist, ob der großen Zahlen jedoch teilweise verworren. Von 10 Millionen Euro Steuermehreinahmen wird leider der überwiegende Teil an Kreis und Land weitergereicht, also bleiben für den Finanzhaushalt der Stadt nur 3 bis 4 Millionen Verbesserung übrig. 10 Millionen Einsparungen verbessern hingegen das Haushaltsergebnis um die vollen 10 Millionen Euro. Zukunftsprojekte wiederum werden zwar in einer prekären Haushaltslage zuerst gestrichen, tragen aber nur minimal zur Ergebnisverbesserung bei. Der Verzicht auf Projekte in Höhe von 10 Millionen Euro trägt nur mit ca. 500.000 Euro Zinsen und Tilgung zum Haushalt bei. Es führt daher kein Weg an Einsparmaßnahmen vorbei, so unangenehm und schwierig das auch sein mag.

Diese Aufgabe soll nun, auf Vorschlag des Kämmerers, direkt vom Parlament in Zusammenarbeit mit der Verwaltung übernommen werden. Die Kick-Off-Veranstaltung hierzu hat am 13. November stattgefunden. Wie dabei methodisch vorgegangen werden soll und warum die Parlamentarier erfolgreicher als die verantwortlichen Dezernenten zusammen mit der Verwaltung Kosteneinsparpotentiale aufdecken können bleibt jedoch fraglich. Zudem ist die Zeit bis zu einer bisher noch geplanten Haushaltsbeschlussfassung im Dezember viel zu kurz.  Bedauerlich ist in diesem Zusammenhang, dass mittlerweile ein Jahr seit der Beauftragung des Magistrats mit der Erarbeitung von Konsolidierungsvorschlägen verstrichen ist.

Die Stadtverordneten werden nicht als Chefcontroller die einzelnen Positionen des Haushalts abklopfen können um einzelne Kürzungsmaßnahmen zu identifizieren, um damit den Haushalt aus seiner Schieflage zu befreien. Bestenfalls lassen sich Einsparziele für einzelne Kostenarten festsetzen, deren konkrete Ausarbeitung dann aber doch wieder durch die Verwaltung zusammen mit den Dezernenten erfolgen muss. Dem Parlament muss dabei deutlich gemacht werden, welche (freiwilligen) Leistungen damit zukünftig nicht mehr erbracht werden, bzw. wie Effizienzsteigerungen zu Kosteneinsparungen beitragen können. 

Eine interfraktionelle Zusammenarbeit, wie vom Fraktionsvorsitzenden der SPD, Markus Munari angeboten, wäre für eine zielgerichtete und zügige Lösungsfindung erstrebenswert. Ein hierfür notwendiger Zeitrahmen lässt sich schlecht abschätzen, aber auch hierzu sollte sich das Parlament fraktionsübergreifend auf eine Zielvorstellung einigen. Vielleicht ist eine Umsetzung und Berücksichtigung im Doppelhaushalt 2024/2025 bis Ende erstes Quartal 2024 möglich?

Der zur zweiten Lesung eingebrachte dritte Nachtragshaushalt für das aktuelle Jahr weist nun ein erheblich verbessertes Steuereinkommen für 2023 auf, was sich in den Controllingberichten des laufenden Jahres schon abzeichnete aber im Doppelhaushalt bisher nicht berücksichtig wurde. Statt wie bisher beabsichtigt 20 Millionen Euro, lassen sich nun 60 Millionen Rückstellungen bilden. In der Folge rückt der Kämmerer zumindest schon mal von einer Grundsteueranhebung ab, den möglichen Verzicht auf eine Gewerbesteueranhebung bestätigt er noch nicht. 

Ist mit dem erneuten Geldsegen am Jahresende das Schiff wieder auf Kurs, der Haushalt stabil und seetüchtig? Nein, der Geldsegen behebt das strukturelle Problem, dass die laufenden Ausgaben über den regulären Einnahmen liegen nicht. Die nicht geplanten und nicht verlässlichen Sondereinnahmen verschieben zwar die vorhersehbare Seenot zeitlich, verhindern sie aber nicht. Die Arithmetik des Doppelhaushalts wird durch die Verschiebung der Millionenbeträge zwischen den Haushaltspositionen und Haushaltsjahren erheblich durcheinandergeschüttelt. Der FDP Fraktionsvorsitzende, Thilo Seipel hat deshalb schon die Zurücknahme des aktuellen Entwurfs gefordert. Weitere erhebliche Veränderungen bei den Ausgabepositionen des laufenden Jahres sind außerdem immer noch möglich. Letztlich lassen sich diese nur aus einem aktuellen Controllingbericht ablesen, der für die bevorstehenden Beratungen zur Konsolidierung notwendig wäre.  

Wie groß ist die Gefahr, dass Zukunftsprojekte in der aktuellen Haushaltslage nicht realisiert werden können? Groß, die steigenden Ausgaben werden aktuell im Finanzhaushalt durch den Abbau des Zahlungsmittelbestands kompensiert. Sollten diese durch ein ungünstiges Einnahmejahr oder weitere nicht abschätzbare Kostensteigerungen nicht mehr ausreichen, werden Rücklagen zum Ausgleich herangezogen. Das bedroht akut den Umbau der Stadtbibliothek und Hugenottenhalle zum Kultur- und Bildungszentrum für das zweckgebunden 20 Millionen zurückgelegt wurden.

Für die Parlamentarier heißt es jetzt „all hands on deck“ um das Schiff auf Kurs zu bringen und den Haushalt strukturell wieder zukunftsfähig aufzustellen. Zusammenarbeit und Mut ist gefragt um das Ruder rumzureißen.

[Oliver Hatzfeld]

Dies ist ein privates Blog. Wir sind Mitglieder der CDU-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung, schreiben hier aber nicht im Namen der Fraktion oder der Partei.

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