Rendezvous an den Gleisen

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So lautet der Titel eines französischen Spielfilms aus den 90er Jahren, in dem es um die erste Liebe eines 16jährigen zu einer jungen Mutter irgendwo in Südfrankreich geht. Und wir alle wissen: Wenn französische Filme von Beziehungen handeln, wird es kompliziert, schwer verständlich und endet oft dramatisch. Auch wir hatten kürzlich ein Rendezvous an den Gleisen: Horst Amann, Geschäftsführer der RTW-Planungsgesellschaft, hatte am 20. Februar 2024 zur Bürgerversammlung in die Hugenottenhalle eingeladen. Dazu hatte er seine Fachplaner sowie das Planungsbüro Krebs + Kiefer mitgebracht.

Diesmal sollte der Fokus auf der Planung der Schiene liegen, es ging konkret um den Bau der RTW vom Bahnhof bis ins Birkengewann. Bei einer vorangegangenen Versammlung am 28. November ging es um die damit verbundene Umgestaltung der Straße, konkret um die Ortsdurchfahrt Carl-Ulrich-Straße/Friedhofstraße. Selbstverständlich muss beides aufeinander abgestimmt sein, wird aber in zwei getrennten Verfahren von unterschiedlichen Verantwortlichen umgesetzt. Die Stadt ist für die Umgestaltung der Ortsdurchfahrt zuständig, die RTW-Planungsgesellschaft für den Bau der eigentlichen Bahnstrecke, der Regionaltangente West (RTW). Ob es hier Parallelen zum französischen Liebesfilm gibt, schauen wir uns mal an.

Kompliziert?

Ja, komplex ist das Zusammenspiel zwischen der Umgestaltung der Ortsdurchfahrt Carl-Ulrich-Straße/Friedhofstraße aus dem Mobilitätskonzept 2030 und der RTW-Verlängerung bis ins Birkengewann tatsächlich. So funktioniert beispielsweise der Wegfall einer Fahrspur auf der Ost/West-Achse nur mit der Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene. Besonders stark sind die beiden Planungen bei Querungen und den Haltestellen miteinander verzahnt, hier bewegen sich Fußgänger und Radfahrer sowie teilweise auch Autos im Schienenbereich. An anderer Stelle muss dagegen der motorisierte Individualverkehr wenden und Umwege in Kauf nehmen um die nächste Querungsmöglichkeit zu erreichen. Definitiv eine sehr große Belastung wird die Bauphase, die in Abschnitten erfolgen soll, da hier auf der Ortsdurchfahrt die RTW noch nicht zur Verfügung steht, der Kfz-Verkehr durch die Baustelle aber erheblich behindert wird. Auch aus finanzieller Sicht ist das Ganze eine komplexe Angelegenheit, die Kosten für den Straßenumbau und den Bau der RTW müssen zwischen Stadt und RTW-GmbH aufgeteilt werden, beides wird auch noch in unterschiedlichem Maße von Land und Bund gefördert. Im Mai 2024 soll es zumindest was die Kosten für den Straßenumbau und die Kostenverteilung angeht, neue Informationen geben. Billiger wird beides vermutlich nicht.

Schwer verständlich?

Zur Veranschaulichung des aktuellen Planungsstands wurden diesmal zusätzlich zu den schon bekannten Plänen 3D-Visualisierungen der fertigen RTW-Verlängerung in der umgestalteten Ortsdurchfahrt gezeigt.

So soll der Verlauf der RTW rund um den ‚Hugenottenkreisel‘ aussehen. Für die Bereitstellung danken wir Melanie Schaare, alle Rechte bei optify GmbH / RTW GmbH.

Was betrifft Anwohner und Bürger?

Viele Fragen gab es auf der Versammlung zur tatsächlichen Gestaltung der Gleisstrecke, der zu erwartenden Lärmentwicklung, der Spannungsmasten, der Barrierefreiheit. Einiges konnte Horst Amann sofort in großer Runde beantworten, konkretere Fragestellungen konnten mit den mitgebrachten Fachleute an den Schautafeln besprochen werden.

Lärmentwicklung: Umfangreiche Gutachten zur Lärmentwicklung der RTW im Betrieb wurden erstellt und sind für die Plangenehmigung erforderlich. Die RTW wird dabei unabhängig von der existierenden Lärmbelastung als eigenständige Maßnahme betrachtet und bewertet. Sollten durch den Betrieb der RTW Grenzwerte überschritten werden, kann der Anspruch auf passiven Lärmschutz entstehen. Unter passivem Lärmschutz versteht man bauliche Maßnahmen beim Betroffenen, z.B. den Einbau Schallschutzfenstern, während aktiver Lärmschutz direkt an der Geräuschquelle installiert wird, meist in Form von Schallschutzwänden.

Schienenverkehr und technische Umsetzung: Spannungsmasten sind auf der gesamten Strecke notwendig und in den Plänen bereits berücksichtigt. Das Gleis ist nicht stromführend, auf Straßenniveau und wird, wo möglich, als Rasengleis ausgeführt. Ein Umzäunung der Gleisstrecke wie von einem Teilnehmer der Versammlung befürchtet, ist nicht vorgesehen. Dennoch werden die Gleise von einigen Bürgern als ein ‚Zerschneiden‘ der Stadt wahrgenommen.

Barrierefreiheit: Zur Barrierefreiheit wurden viele Fragen bezüglich sehbeeinträchtigter Menschen gestellt. Ist die RTW im Betrieb akustisch an einer vielbefahrenen Straße noch wahrnehmbar? Sind die Bahnsteige für beeinträchtige Menschen sicher erreichbar, Gleise sicher zu überqueren? Horst Amann zeigte sich zuversichtlich alle gesetzlichen Anforderungen zur Barrierefreiheit erfüllen zu können, nicht nur die für Menschen mit Gehbehinderung. Die Fragestellerin war sich da nicht so sicher und wird ihre Anforderungen nochmal im weiteren Verfahren einbringen.

Bäume: Schon bei der Bürgerversammlung zur Umgestaltung der Ortsdurchfahrt waren die Bäume entlang der Strecke ein sensibles Thema. Auch in dieser Bürgerversammlung wurden diese nochmal angesprochen. Ca. 250 Bäume sollen gefällt werden, wieviele davon im Stadtgebiet anschließend neu gepflanzt werden können, darauf wollte sich Horst Amann noch nicht festlegen.

Fazit

Die RTW-Planungsgesellschaft hat sich bemüht, offen alle Fragen zu beantworten. Pläne, technische Details und die Visualisierung der Lärmentwicklung waren verständlich aufbereitet. Die Beteiligung war groß, ca. 150 Bürger kamen um sich zu informieren. Ein gute Gelegenheit sich zwischen Fachleuten, Bürgern und Kommunalpolitikern zu dem Projekt auszutauschen.

Die aktuelle Information der Öffentlichkeit ist allerdings noch nicht Bestandteil des Planfeststellungsverfahrens. Anmerkungen und Einwände zur oder gegen die Planung können bis zum 1. März zwar eingebracht werden, müssen aber zum eigentlichen Verfahren nochmals wiederholt werden. Das finden wir dann leider doch etwas kompliziert und umständlich.

Dramatisches Ende?

Im oben genannten Film stehen Gleise sinnbildlich für paralleles nebeneinander Herlaufen ohne sich jemals zu treffen. Und lange Zeit lief die Planung für die RTW tatsächlich ohne große Berührungspunkte mit den Bürgern ab. Es gab zwar vereinzelt engagierte Befürworter und Gegner, doch in der breiten Bevölkerung angekommen war das Thema noch nicht. Noch im November war die Bügerversammlung eher schlecht besucht, diesmal waren fast alle Plätze besetzt. Und tatsächlich: In den letzten Wochen konnten die Neu-Isenburger vor allem im Westend vermehrt Baulärm und seltsame nächtliche Geräusche wahrnehmen. Das Projekt nimmt endlich Fahrt auf und damit auch das Interesse und die Beteiligung der Bürger.

Das eigentliche Planfeststellungsverfahren soll noch im ersten Quartal 2024 erfolgen, aktuell gehen die Verantwortlichen immer noch von einem Betriebsstart 2028 aus. Die komplette Neu-Isenburger Strecke ist dann aber höchstwahrscheinlich noch nicht fertig, die Weiterführung bin ins Birkengewann soll in einem zweiten Bauabschnitt erfolgen. Und genau hier sehen wir Konfilktpotential: Wie soll die Verkehrsführung und damit auch die Ortsdurchfahrt aus zwei Richtungen an der wichtigen Kreuzung Frankfurter Straße / Friedhofstraße aussehen, wenn die RTW hier erstmal endet? Vor allem, falls es beim zweiten Bauabschnitt zu Verzögerungen kommt? Und wie wirkt sich das auf die umliegenden Geschäfte und Gaststätten aus? Das Isenburg Zentrum hat auch ohne Riesenbaustelle vor der Tür schon mit Leerstand und rückläufigen Besucherzahlen zu kämpfen.

Die fertiggestellte RTW wird ohne Zweifel ein Gewinn für Neu-Isenburg – die Baustelle aber werden wir bis dahin mit großer Befriedigung hassen. Willkommen im französischen Beziehungsdrama.

[Oliver Hatzfeld, Kati Conrad]

Dies ist ein privates Blog. Wir sind Mitglieder der CDU-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung, schreiben hier aber nicht im Namen der Fraktion oder der Partei.

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