Der Autoverkehr in Neu-Isenburg kann schon unangenehm werden. Zu laut, zu stinkend, zu schnell, zu stockend…und immer da, wo man ihn gerade nicht braucht. Ein Lärmminderungsplan aus dem Jahr 2020 schlug daher als Maßnahme vor, die Geschwindigkeit für einige Hauptverkehrsstraßen in der Stadt auf Tempo 30 km/h zu begrenzen. Eine selektive Geschwindigkeitsbegrenzung auf einzelnen Straßen führt allerdings oft zu unerwünschten Umgehungsverkehren. Wenn Vorrangstraßen ihre Sammel- und Ableitungsfunktion einbüßen, droht eine Verkehrszunahme in Wohngebieten, der Verkehr fließt nicht mehr – es gibt Stau.
Um dieses Problem gesamtheitlich angehen zu können, haben die Stadtverordneten im Juli 2021 den Magistrat damit beauftragt, ein Stadtgeschwindigkeitskonzept erstellen zu lassen. Vier ganze Jahre lang haben wir davon nichts mehr gehört. Nach dieser langen Wartezeit war daher die Freude bei den Parlamentariern auf den ersten Blick groß, als eine Drucksache mit dem Titel ‚Geschwindigkeitskonzept für die Stadt Neu-Isenburg – Analysebericht‘ in unseren Unterlagen auftauchte.
Nach dem Lesen folgte allerdings die Ernüchterung. Das eigentlich angeforderte Konzept rückt gemäß der Drucksache erstmal noch in weite Ferne. Vorgelegt wurde eine Bestandsaufnahme, die potenzielle Begründungen für Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Straßen im Stadtgebiet auflistet. Betrachtet wurden die positiven Aspekte einer reduzierten Geschwindigkeit des motorisierten Individualverkehrs: weniger Lärm, weniger Unfälle, Radfahrer fühlen sich sicherer und Fußgänger können Straßen besser überqueren. Zusammengefasst: Je niedriger die Geschwindigkeit, desto besser – ideal wäre gemäß dieser Logik eigentlich Tempo null.
Der Sinn eines Geschwindigkeitskonzepts ist aber nicht, nur in eine Richtung zu argumentieren und Gründe für Tempo 30 aufzulisten. Im Ergebnis soll der Verkehrsfluss in der Stadt nicht behindert, sondern optimiert werden. Dazu müssen viele Faktoren berücksichtigt werden: die Leistungsfähigkeit des Straßennetzes, mögliche Belastungen durch Ausweichverkehr, Auswirkungen auf Rettungsfahrzeuge. Nimmt die Lärmbelastung tatsächlich ab, wenn man langsamer und damit im niedrigeren Gang fährt? Wie verändern sich Reisezeiten, auch für Busse? Entstehen neue Belastungen durch höheren Benzinverbrauch bei Verbrennermotoren? Und ist Tempo 30 wirklich die optimale Geschwindigkeit, wenn reduziert wird? Die Untersuchung, die an anderer Stelle sehr kleinteilig Unfallbeteiligungen an konkreten Punkten oder genaue Dezibelwerte auflistet, bleibt diese Antworten schuldig.
Wie soll es nun weitergehen?
Der Weg bis zum Konzept ist noch mühsam. Als nächstes sollen auf Basis der in der Analyse zusammengestellten positiven Effekte Vorschläge für Geschwindigkeitsbegrenzungen erarbeitet werden.
In dem darauffolgenden entscheidenden Schritt geschieht dann, was ursprünglich beantragt wurde: eine Abwägung der Maßnahmen, die berücksichtigt, dass ein „sinnvoller Netzzusammenhang“ gewährleistet bleibt. Mit anderen Worten: In diesem Schritt wird erstmals berücksichtigt, dass eine Geschwindigkeitsbeschränkung den Verkehrsfluss auch in unerwünschter Weise behindern kann und das mehr Belastungen entstehen können.
Abschließend soll dann ein zeitlich gestrecktes Umsetzungskonzept erarbeitet werden.
Fazit
Das Stadtgeschwindigkeitskonzept beschäftigt sich nicht nur mit niedrigen Geschwindigkeiten, die Erstellung geht auch sehr langsam voran! Dem Analysebericht haben wir in der Stadtverordentenversammlung zugestimmt, da auf seiner Basis die nächsten Schritte auf dem Weg zum ganzheitlichen Konzept überhaupt erst angegangen werden können. Wir hoffen, es ist fertig, bevor nur noch E-Autos unterwegs sind und der Lärmschutz als Begründung für Tempo 30 wegfällt.
[Kati Conrad, Oliver Hatzfeld]