Über die Regionaltangente West (RTW), die Bahnlinie, die den Neu-Isenburger Bahnhof entlang der Carl-Ulrich-Straße und Friedhofstraße mit dem Birkengewann verbinden soll, wird derzeit viel diskutiert. Ziel des Projekts ist es, den Durchgangsverkehr entlang der Strecke um 45% zu entlasten und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass mehr Menschen vom Auto auf die Bahn umsteigen. Dass damit ein umfangreicher Umbau der beiden Straßen (zusammen bilden sie die Landesstraße L3117) einhergeht, ist aber noch nicht allen Neu-Isenburgern bewusst, das merken wir immer wieder in Gesprächen. Deshalb möchten wir Euch gerne den aktuellen Stand erklären.
Wenn die Bahnschienen entlang der Straße verlaufen, sollen die Carl-Ulrich-Straße und die Schleussnerstraße jeweils in eine Richtung Einbahnstraße werden, fortgeführt wird das in der Friedhofstraße, die dann ebenfalls in der Mitte von Bahngleisen geteilt wird. Auch ein breiterer Gehweg und ein Radweg sollen auf beiden Seiten entstehen. Das erfordert eine umfangreiche Planung.
Für die Planung der Schienenstrecke ist die RTW GmbH zuständig, für den Umbau der Straße die Stadt Neu-Isenburg in Zusammenarbeit mit der RTW GmbH. Erst wenn die Straßenplanung abgeschlossen ist, kann die RTW gebaut werden.
Die Kosten für das Projekt sind nach der letzten Erhöhung erheblich. Nach Abzug der Fördergelder beträgt der städtische Anteil am Bau der RTW 46 Millionen Euro. Für den Straßenumbau in Neu-Isenburg werden derzeit rund 85 Millionen Euro veranschlagt. Allerdings sollen auch hier Fördermittel eingeworben werden – und es wird derzeit verhandelt, ob die RTW-Gesellschaft einen Teil der Straßenkosten übernimmt.
Große Pläne
Für große Bau- und Infrastrukturprojekte ist ein sehr umfangreiches Genehmigungsverfahren notwendig, das sogenannte Planfeststellungsverfahren. Einwände von Trägern öffentlicher Belange das sind zum Beispiel die Feuerwehr, Umweltverbände und Behörden) und auch von Bürgern werden geprüft und berücksichtigt. Die RTW als Bahnstrecke, die sehr viele Belange betrifft (Lärm, Umwelt, Eigentum, etc.) kommt um ein Planfeststellungsverfahren nicht herum. Beim Straßenumbau ist es möglich, das Verfahren zu vereinfachen und den Entfall des Planfeststellungsverfahrens zu beantragen. Das spart eine Menge Zeit, ist aber auch für Bürger weniger transparent, sie haben kein formelles Beteiligungsrecht im Vorfeld.
Wo stehen wir gerade?
Für den Straßenumbau hat die Stadt bei Hessen Mobil beantragt, auf ein Planfeststellungsverfahren zu verzichten. Vorher konnten alle Träger öffentlicher Belange Stellungnahmen abgeben. Diese Phase lief vom 1. April 2024 bis 23. Mai 2025. Danach wurden kleinere Änderungen, etwa bei der Radwegeführung, eingearbeitet und die überarbeitete Planung bei Hessen Mobil eingereicht.
Parallel arbeitet die RTW-Gesellschaft an ihrem eigenen Planfeststellungsverfahren. Dafür ist aber Voraussetzung, dass die Straßenplanung endgültig von Hessen Mobil genehmigt wird. Sobald diese Rückmeldung vorliegt – hoffentlich bis Ende dieses Jahres – könnte das RTW-Planfeststellungsverfahren für den südlichen Abschnitt (PFA Süd2) eröffnet werden.
Wie geht es weiter?
Das Planfeststellungsverfahren für die RTW kann sich ziehen. Je nach Einwänden oder Klagen sind durchaus zwei Jahre möglich. Erst wenn Baurecht besteht, darf die RTW loslegen – realistisch also nicht vor 2028. Wichtig: Straßen- und Schienenbau müssen dabei synchron geplant und umgesetzt werden.
Für die Straße bedeutet das: Nach der Genehmigung durch Hessen Mobil muss die Ausführungsplanung erarbeitet werden. Bisher liegt nur die Entwurfsplanung vor. In der Vergangenheit gab es bei der Abstimmung zwischen Straße und RTW mehrfach Verzögerungen und Probleme in der Abstimmung. Ursprünglich wollte man schon 2023 das Planfeststellungsverfahren beantragen und Anfang 2024 eröffnen. Nun wird es zwei Jahre später.
Bislang hatte die RTW im Auftrag der Stadt die Straßenplanung mitübernommen, damit Straße und Schiene zusammenpasst. Aufgrund fehlender Fachplaner-Kapazitäten in der RTW GmbH wurde diese Aufgabe jedoch wieder an externe Büros gegeben. Künftig geht die Stadt nun einen anderen Weg: Sie hat selbst ein Planungsbüro damit beauftragt, die noch offenen Planungsleistungen (Ausführungsplanung, Vorbereitung der Vergabe, Mitwirkung bei der Vergabe sowie Bauüberwachung und Dokumentation) auszuschreiben. Dabei ist vorgesehen die Ausschreibung statt an einen Auftragnehmer zu übergeben in mehrere Lose aufzuteilen und idealerweise an verschiedene Planungsbüros in der Region zu vergeben.
Am 20. August stellte sich das neue Planungsbüro im Bauausschuss vor und gab einen Ausblick. Gleichzeitig laufen Verhandlungen zwischen Stadt und RTW über eine gemeinsame Planungs- und Baudurchführungsvereinbarung. Ziel ist es, die Schnittstellen von Schiene und Straße sauber zu regeln. Möglicherweise wird dafür sogar eine eigene Projektgesellschaft gegründet.
Der Blick nach vorn
Wenn alle Planungen abgeschlossen sind, die Genehmigungen vorliegen und die Fördermittel gesichert sind, kann gebaut werden. Das wird Jahre dauern, weil die Bauarbeiten von Straße und RTW aufeinander abgestimmt werden müssen. Währenddessen bleiben die Anlieger der Ortsdurchfahrt zwar erreichbar, der Verkehr muss aber umgeleitet werden.
Die RTW selbst plant inzwischen mit einem frühesten Betriebsstart Ende 2028 oder Anfang 2029 – allerdings nur wenn bis dahin die noch zu beschaffenden Zweisystemzüge, die auf dem Schienennetz der Bahn als auch auf dem von Straßenbahnen mit unterschieden in den Stromsystemen, der Signaltechnik und Bahnsteighöhen fahren können auch tatsächlich zur Verfügung stehen. Solche Züge sind sehr teuer und es gibt wenige Anbieter.
Gegebenenfalls könnte man Teilstrecken auch mit kurzfristiger verfügbaren S-Bahn-Zügen befahren. Für die Ortsdurchfahrt in Neu-Isenburg sind S-Bahn-Züge allerdings keine Alternative.
Klar ist: 2028 wird in Neu-Isenburg nicht die RTW fahren, sondern bestenfalls der Bau beginnen. Durch die Fördergrenzen (maximal 9 Millionen Euro pro Jahr aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz) wird sich die Umsetzung zusätzlich in die Länge ziehen. Selbst bei einer Förderquote von 60% müsste man die Baukosten von 85 Millionen Euro über sechs Jahre strecken. Das heißt: Erst um 2034 könnte die RTW bis ins Birkengewann fahren.
Um nach Neu-Isenburg reinzufahren benötigt die RTW eine Wendemöglichkeit die an der Endhaltestelle Birkengewann realisiert werden soll. Eine Zwischenstufe könnte eine provisorisch als Endhaltestelle an der Kreuzung Carl-Ulrich-Straße/Frankfurter Straße ausgebaute Wendemöglichkeit sein, um wenigstens ein Teilstück in Neu-Isenburg früher befahrbar zu machen. Das würde allerdings wieder zusätzliche Kosten verursachen.
Fazit
Die RTW bis ins Birkengewann fahren zu lassen und synchron dazu die Ortsdurchfahrt umzubauen bleibt ein komplexes und sehr kostenintensives Projekt mit vielen Beteiligten und großen Herausforderungen.
Unvorhergesehene Schwierigkeiten führen fast sicher zu zeitlichen Verzögerungen und Kostensteigerungen. Damit ist der aktuelle Stand mit 85 Millionen Euro Baukosten für den Straßenumbau und einem Abfahrtsbeginn im Birkengewann in 2034 nur ein Ausblick der sich noch mehrmals ändern kann. Das kann andere Projekte in der Stadt wie den Umbau der Hugenottenhalle oder die Umgestaltung des Marktplatzes und der Frankfurter Straße ernsthaft gefährden. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass auch mit der Umsetzung der RTW die Weiterentwicklung der Stadt nicht auf der Strecke bleibt.
[Kati Conrad, Oliver Hatzfeld]