Anfang Januar hatten wir Euch berichtet, dass auf dem ehemaligen Rundschau-Gelände ein hochmodernes Rechenzentrum entstehen wird, mit dessen Abwärme das Neubaugebiet ‚Neue Welt‘ und das Gewerbegebiet Süd beheizt werden könnte. Dieser Artikel stieß auf großes Interesse und Ihr habt auch einige Fragen direkt an uns oder über die sozialen Medien gestellt. Also haben wir gedacht, wir besuchen mal Kirk Reineke, den Geschäftsführer der Neu-Isenburger Stadtwerke, und fragen direkt nach.
YYNI: Lieber Herr Reineke, gleich zu Anfang interessiert uns, warum Neu-Isenburg als Standort ausgewählt wurde. Gebaut wird das Rechenzentrum ja von der internationalen Goodman Group und wir wissen, dass der Frankfurter Raum ein beliebter Standort für Serverfarmen ist. Aber was spielt noch eine Rolle?
Kirk Reineke: Die Nähe zum großen Netzwerkknotenpunkt DE-CIX in Frankfurt spielt eine große Rolle, außerdem verfügt Neu-Isenburg über ein schnelles Glasfasernetz. Und dann muss natürlich ausreichend Stromleistung zur Verfügung stehen. Unser vorgelagerter Netzbetreiber, die Energienetze Offenbach (ENO) kann diese große Leistung (mehr als doppelt so hoch wie für ganz Neu-Isenburg) liefern, über das Umspannwerk in Sprendlingen kommt der Strom dann zu uns. An dem Energiekonzept bzw. an der Planung und Umsetzung der Energie-Infrastruktur für die Neue Welt arbeiten wir schon seit etwa 5 Jahren.
YYNI: Und wie ist der Stand, gibt es schon einen Betreiber?
Kirk Reineke: Die Firma Goodman hat ein sehr großes Interesse, uns die Abwärme aus dem Rechenzentrum für den Aufbau einer Fernwärmeversorgung zur Verfügung zu stellen. Der zukünftige Betreiber des Rechenzentrums ist uns noch nicht bekannt. Derzeit verhandeln wir noch über die Rahmenbedingungen für die Abwärme-Infrastruktur, also über Rohre vom Rechenzentrum bis zur Straße oder Wärmetauscher auf dem Dach des Rechenzentrums. Nach der Inbetriebnahme wird uns bis zu einem Drittel der möglichen Abwärme-Leistung, etwa 17 Megawatt (MW) zur Verfügung gestellt, der weitere Ausbau erfolgt dann in Absprache mit dem Betreiber. Möglich sind bis zu 50 MW. Aber schon mit den 17 MW Abwärme können wir ca. 70% der Wärme für die beiden Quartiere (Neue Welt und Gewerbegebiet Süd) zur Verfügung stellen.
YYNI: Ab wann könnte die Wärme zur Verfügung stehen? Und woher kommt sie für die Neue Welt bis dahin?
Kirk Reineke: Die Fertigstellung des Rechenzentrums ist für 2027 geplant, dann wollen wir auch schon in der Lage sein, die erste Wärme abzunehmen. Eine Wärmezentrale bauen wir aber erst, wenn auch wirklich die Server im Rechenzentrum stehen. Bis dahin versorgt eine gasbetriebene Interimsheizungsanlage in der DuPont-Straße das Gebiet mit Fernwärme über das bereits verlegte Fernwärmenetz. Es kann bis zu 4 MW liefern.



YYNI: Wie lange kann diese Interimslösung denn aufrecht erhalten werden?
Kirk Reineke: Das läuft so lange, bis im Rechenzentrum alles steht – oder schlimmstenfalls, bis wir einen Plan B ausgearbeitet haben.
YYNI: Plan B soll dann greifen, wenn aus irgendeinem Grund doch kein Rechenzentrum entsteht? Wie könnte dieser Plan aussehen?
Kirk Reineke: Das könnte für die Neue Welt dann wieder eine Quartierslösung sein, wie ursprünglich im Energiekonzept vorgesehen. Zum Beispiel eine intelligente Kraftwärme-Kopplungsanlage mit Wärmepumpe. Wir gehen aber davon aus, dass alles nach Plan verläuft und das Rechenzentrum kommt.
YYNI: Und wenn das mal vorübergehend ausfällt? Wie wird die Wärmeversorgung sichergestellt? Und mit welchem Energieträger? Nach den neuen Bestimmungen müssen ja 65% aus erneuerbaren Energien stammen.
Kirk Reineke: Das wird gerade im Rahmen einer Machbarkeitsstudie geprüft, die bis Mitte 2025 fertiggestellt wird. Immer möglich wäre ein Gaskraftwerk. Das wäre auch mit den neuen Gesetzen kompatibel, da es nur eine Notfallversorgung darstellt. Optimal wäre natürlich, wenn sich Kommunen hier im wahrsten Sinne des Wortes vernetzen könnten.
YYNI: Das könnte sicher Kosten sparen. Wie sieht es mit der Finanzierung denn überhaupt aus, müssen die Stadtwerke das alles alleine stemmen?
Kirk Reineke: Für die Errichtung der Fernwärme-Infrastruktur können Fördermittel (bis zu 50 % der Baukosten) beim Bund beantragt werden. Parallel dazu prüfen wir weitere Möglichkeiten, halten nach Kooperationspartnern Ausschau. Auch ein Bürgerbeteiligungsmodell könnte interessant sein.
YYNI: Wer in Neu-Isenburg könnte denn dann die Fernwärme nutzen? Und wann?
Kirk Reineke: Auf Basis eines technischen Grobkonzeptes kann ich schon heute sagen: Die Neue Welt bekommt die Fernwärme aus dem Rechenzentrum garantiert, der Buchenbusch wahrscheinlich nie, denn im Wesentlichen hängt es davon ab, wo große Abnehmer lokalisiert sind, die angeschlossen werden wollen. Der Anschluss privater Haushalte lohnt sich in der Regel nur dort, wo Mehrfamilienhäuser angeschlossen werden können oder wenn die Leitung zufällig (auf dem Weg zu einem Großabnehmer) am Haus vorbeiführt. Ansonsten wird die Fernwärme zu teuer! Ein möglicher Großabnehmer wäre das Schwimmbad, das ja sogar ganzjährig heizen muss. Das Rechenzentrum geht voraussichtlich 2027 in Betrieb. Wenn das Schwimmbad angeschlossen wird, könnte die Fernwärme theoretisch nach 2030 in Teilen des Westends zur Verfügung stehen – aber der Ausbau der Fernwärme gleichzeitig mit dem Bau der RTW ist eine zusätzliche Herausforderung, die wir lösen müssen. Deshalb müssen wir auch hier die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie abwarten.
YYNI: Würde sich der Umstieg auf Fernwärme denn lohnen, wäre es günstiger?
Kirk Reineke: Fernwärme ist nicht günstiger als andere Arten der Wärmeversorgung. Kosten verursachen hier hauptsächlich das Wärmenetz und die zentrale Wärmeerzeugung, die erst geschaffen und dann über Jahrzehnte abgeschrieben werden müssen. Fernwärme ist für Bestandgebäude eine sehr gute Lösung, wenn man seine Heizung erneuern und die gesetzlichen Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes einhalten muss. Größere Unternehmen profitieren zusätzlich, da sie bestimmte gesetzliche Anforderungen an Nachhaltigkeit erfüllen müssen, z. B. bei der Bewilligung von Krediten oder Subventionen – also auch finanziell.
YYNI: Ist denn dann Fernwärme die Wärme der Zukunft? Haben wir bald nur noch riesige Wärmepumpen in der Stadt?
Kirk Reineke: Fernwärme aus Abwärme und Wärmepumpen sind die Optionen, mit denen wir aktuell die Transformation der Wärmeversorgung planen können. Wasserstoff ist teuer und hochexplosiv, außerdem in Neu-Isenburg heute noch nicht verfügbar. Auch für die Lieferung von Wasserstoff muss ein regionales und sehr wahrscheinlich auch ein örtliches Verteilnetz gebaut werden. Ein regionales Verteilnetz soll bis 2030 entstehen. Mit dem Schwerpunkt die Industrie in der Region mit Wasserstoff zu versorgen. Für private Haushalte müssen zudem die Sicherheitsrisiken beim Heizen mit Wasserstoff geklärt und beherrscht werden – und selbst wenn Wasserstoff dort eingesetzt werden könnte, würde eine Versorgung mit Sicherheit vor 2035 nicht klappen. Bis dahin werden schon viele ihre Heizungen mit einer Wärmepumpe erneuert haben und der Aufbau eines örtlichen Wasserstoffnetzes ist nicht mehr wirtschaftlich. Heizen mit Holzpellets wäre eine weitere Alternative – aber auch das ist teuer und erfordert Lagerplatz.
YYNI: Dann sind wir mal gespannt, was die Zukunft bringt und welche technologischen Entwicklungen es noch geben wird. Wir danken Ihnen ganz herzlich für dieses Interview und die interessanten Einblicke in die Welt der Wärme – da wird uns ganz warm ums Herz!
[Kirk Reineke, Kati Conrad]
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