Ist die Straßenbahnverlängerung gut für Neu-Isenburg?
Die Straßenbahn in Neu-Isenburg könnte in Zukunft weiterfahren – entlang der Frankfurter Straße über Dreieich bis nach Langen. Eine gerade veröffentlichte Machbarkeitsstudie zeigt, dass das Projekt technisch umsetzbar und aus Sicht der Studie volkswirtschaftlich sinnvoll wäre, wenn man Fahrgastzahlen, Betriebskosten und erwartete Umweltgesichtspunkte gegenrechnet. Aber ist das schon alles, was berücksichtigt werden muss? Und wie beurteilt man überhaupt Infrastrukturprojekte?
Die Studie zeichnet ein optimistisches Bild. Die Straßenbahn ist gut für die Umwelt, gut für die Innenstadt, gut für uns alle. Beigefügte Skizzen zeigen eine begrünte Frankfurter Straße und wir stellen uns vor, wie dort gut gelaunte Neu-Isenburger im Café unter Bäumen sitzen. Wenn ihnen einfällt, dass sie noch etwas einkaufen müssen, hüpfen sie fröhlich auf die idyllisch vorbeizuckelnde Bahn auf. Doch in keinem Unternehmen würde man Entscheidungen nur aufgrund einzelner Teilaspekte treffen, wie die Studie sie präsentiert – vor allem dann nicht, wenn die Entscheider gar keine Fachleute sind, sondern, wie in unserem Fall, ehrenamtlich arbeitende Stadtverordnete. Wir möchten deshalb gerne weitere Kriterien anschauen.
Stadtgestaltung: Unsere Straße soll schöner werden!
Die Umgestaltung der Frankfurter Straße steht eigentlich schon seit ca. 20 Jahren auf der politischen Agenda und ist im Stadtumbauprogramm ‚Vom Alten Ort zur Neuen Welt‘ ein zentraler Bestandteil. Am meisten kann ein Gebiet von einer Straßenbahnanbindung profitieren, wenn es schon eine hohe Attraktivität und Aufenthaltsqualität besitzt und die Bahn noch weitere Kundenkreise erschließt. Doch an der Attraktivität der Innenstadt arbeitet die Stadt schon seit 2017, ohne dass man auf der Frankfurter Straße eine Veränderung sieht. Die Ziele sind aufgeschrieben – was noch fehlt sind die Ideen dazu, wie man diese Ziele erreichen könnte. Der vorgesehene Ideenwettbewerb steht noch aus und wird angesichts der aktuellen finanziellen Lage wohl nicht vor der Planung der Straßenbahn abgeschlossen sein.
Im Rahmen der Straßenbahnverlängerung müsste man die Frankfurter Straße auf jeden Fall „anfassen“ und durch die dazugehörigen Fördergelder würde sich hier die Gelegenheit bieten, den Straßenraum umzugestalten und anders aufzuteilen. Zu verbessern gäbe es viel.
Aber: Mit 19 Metern ist die Frankfurter Straße nicht sehr breit. Schon 2022 erkannten wir Stadtverordneten in einem Workshop, dass nicht alles möglich ist, was wir gerne hätten. Wenn die Straßenbahn sich die Fahrbahn mit den Autos teilt, hätten wir Platz für breitere Gehwege und mehr Grün, ein Fahrradweg passt aber nicht mehr daneben. Da die Fahrt entlang der Straßenbahnschienen für Fahrräder gefährlich sein kann (man bleibt leicht hängen) und die Straße mit Bahn und Autos schon sehr voll ist, sollten Radler lieber auf die parallel verlaufende Ludwig-/Luisenstraße ausweichen. Grundsätzlich machbar, da es sich um eine Fahrradstraße handelt – aber es bleibt eine Einschränkung für einen Teil der Verkehrsteilnehmer und umweltfreundliches Einkaufen mit dem Fahrrad wird umständlicher. Verzichten wir stattdessen komplett auf Parkmöglichkeiten, fallen Lieferverkehr und Kurzzeitparken weg, ein Nachteil für den Einzelhandel. Erteilen wir dem Grün eine Absage, bleibt die Straße traurig, grau und im Sommer unerträglich heiß. Mit schmaleren Gehwegen stirbt der Traum vom Nachmittag im Straßencafé. Eine barrierefreie Bahn erfordert hohe, in den Straßenraum ragende Haltestellen, die den leichten Einstieg ermöglichen, was wieder zu potentiell gefährlichen Engpässen auf der Fahrbahn führen kann. Und Oberleitungen braucht die Straßenbahn auch, sonst wird sie extrem viel teurer. Irgendwas ist immer.
Fazit: Die Straßenbahnverlängerung würde finanziell die Umgestaltung der Straße erleichtern, schränkt aber gleichzeitig unsere Möglichkeiten dazu stark ein. Das neue Erscheinungsbild der Frankfurter Straße sollte auch nicht nur von der Anpassung an Bahnschienen und Haltestellen bestimmt werden, sondern auch die Interessen anderer Verkehrsteilnehmer, der ansässigen Geschäfte und vor allem der Bürger berücksichtigen.
Nutzung: Wer steigt ein?
Wie würden die Neu-Isenburger die Straßenbahn nutzen? Wer nach Frankfurt möchte und das Auto oder Fahrrad nutzt, um in die Straßenbahn umzusteigen, bekommt durch die Verlängerung kein verbessertes Angebot. Die einzige kostenfrei nutzbare Park & Ride – Anlage für Autos und Fahrräder liegt auch nach der Verlängerung an der bisherigen Haltestelle ‚Stadtgrenze‘. Wer bereit ist, Parkgebühren zu bezahlen könnte allerdings künftig im Parkhaus am Isenburg Zentrum parken oder als Radfahrer sein Fahrrad am Rosenauplatz abstellen und dort in die Straßenbahn einsteigen. Die direkten Anwohner der Frankfurter Straße profitieren zwar von einer sehr komfortablen Verbindung, müssen aber auch mit zusätzlichem Lärm und der Baustelle vor der Tür klarkommen. Wer aus anderen öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bus oder RTW in die Straßenbahn umsteigt, hat dazu an den schon existierenden Haltestellen ‚Isenburg Zentrum‘ und ‚Stadtgrenze‘ die Gelegenheit. Hier wäre eine Untersuchung sinnvoll, wie häufig welche Ziele angesteuert werden und welche Verbesserungen die Straßenbahn gegenüber bestehenden Buslinien bieten könnte. Für Neu-Isenburger Schüler, die in Dreieich in die Schule gehen, könnte mit der Bahn eine zuverlässigere Verbindung geschaffen werden.
Fazit: Das große Ganze, die Vernetzung mit anderen Kommunen, im Blick zu haben, ist natürlich wichtig. Dennoch sollte der Nutzen für Neu-Isenburger im Vordergrund stehen. Die neue Bahn muss von den Bürgen nicht nur akzeptiert, sondern auch genutzt werden, Neu-Isenburg darf nicht zum reinen Durchgangsort für Fahrgäste aus anderen Städten werden.
Lärm: der Schrecken der Straße
Die Frankfurter Straße ist laut und voller Abgase. Die Einführung der Straßenbahn soll laut Studie nicht nur die Emissionen, sondern auch den Lärm durch Autoverkehr reduzieren. Was wir dabei nicht vergessen dürfen: Bis zur möglichen Umsetzung der Bahnlinie (nicht vor 2034) wird es noch weniger Autos mit Verbrennungsmotor geben, das heißt, der motorisierte Verkehr wird leiser, die Belastung durch CO2 geringer. Und auch wenn moderne Straßenbahnen nicht mehr so stark rumpeln und quietschen wie früher – sie rumpeln und quietschen trotzdem noch. Durch den geringen Querschnitt der Straße fahren sie auch verhältnismäßig dicht an den Häusern vorbei. Es ist also tatsächlich denkbar, dass es auf der Straße lauter wird – und es kommen neue, ungewohnte Geräusche dazu, die vor allem nachts stören können.
Fazit: Hier kommen wir wieder auf die Anwohner zurück. Sind sie auch durch eine Bahn direkt vor der Tür privilegiert – die zusätzlichen Geräusche können zur Belastung werden. Hier wäre ein Meinungsbild im Rahmen einer Bürgerbeteiligung sinnvoll, bei der nicht nur Bürger Neu-Isenburgs gehört werden, sondern auch die aus Städten, in denen eine Straßenbahn durch ein Wohngebiet fährt.
Einkaufen und arbeiten: Was kommt nach der Baustelle?
Ein Aspekt, der in der Studie leider nicht berücksichtigt wird, sind die Auswirkungen auf den Einzelhandel und auf die Wirtschaft. Eine gute ÖPNV-Anbindung ist für die ansässigen Unternehmen erstmal ein positiver Standortfaktor, da es für Mitarbeiter attraktiv ist, mit der Bahn zum Arbeitsplatz fahren zu können. Die verlängerte Bahn schafft eine Verbindung von der heutigen Haltestelle ‚Stadtgrenze‘ in den Süden der Stadt und damit in Richtung ‚Neue Welt‘ und Gewerbegebiet Süd. Andererseits: Die bereits begonnene Regionaltangente West (RTW) schafft diese Verbindung vom Bahnhof Neu-Isenburg ebenfalls und kommt wesentlich näher ans Gewerbegebiet ran. Man könnte sich höchstens noch die Frage stellen, welches Projekt früher fertiggestellt wird. Beides wird man nicht parallel realisieren können, da zwei Großbaustellen gleichzeitig (Frankfurter Straße und Friedhofstraße/Carl-Ulrich-Straße) zum völligen Verkehrschaos führen würden.
Für den Einzelhandel auf der Frankfurter Straße ist die Prognose nicht ganz so eindeutig. Wenn die Verlängerung fertig und die Frankfurter Straße umgestaltet ist, könnten zwei mögliche Veränderungen eintreten: Entweder profitieren die angesiedelten Geschäfte von mehr Laufkundschaft – von Passanten, die mal schnell auf die Straßenbahn hüpfen und ein paar Besorgungen machen – und von der verbesserten Aufenthaltsqualität mit weniger Autoverkehr. Oder Neu-Isenburg wird zum Durchgangsort, an dem sich der Ausstieg zum Einkaufsbummel nicht mehr lohnt, wenn man in der Bahn sitzenbleiben und wenige Minuten später in Frankfurt shoppen kann. Schwierig für den Einzelhandel kann auch der Wegfall von Parkplätzen werden, besonders für die Anlieferung von Waren. Das geplante Parkhaus auf dem Wilhelmsplatz wurde aus Kostengründen gestrichen, was die Situation noch verschärft. Der für uns kritischste Punkt ist jedoch die Bauphase, in der die Läden auf der Frankfurter Straße, die bereits jetzt über zu wenige Kunden klagen, deutliche Umsatzeinbußen haben werden, da sie über einen längeren Zeitraum kaum zugänglich sind. Das kann dazu führen, dass die wenigen schönen, inhabergeführten Geschäfte, die wir noch haben, aufgeben müssen.
Fazit: Die Straßenbahn ist kein Selbstläufer für die Stadtentwicklung und kann unfreiwillig zum kompletten ‚Neustart‘ für den Einzelhandel entlang der Strecke werden. Bei der Ansiedlung neuer Geschäfte kann die Wirtschaftsförderung zur sehr begrenzt Einfluss nehmen, da die meisten Gebäude sich im Privatbesitz befinden und die Eigentümer selbst entscheiden, an wen sie vermieten. Wenn wir nicht nur Wettbüros wollen, muss die Straße attraktiv umgestaltet und vor allem belebt werden. Nur so ist eine lebendige Einkaufsmeile realistisch. Und – man ahnt es schon – das kostet Geld, das nicht in der Förderung für den ÖPNV enthalten ist.
Kosten: aus Fehlern lernen
Juchuh, wir kriegen eine Bahn und müssen nur einen gaaanz geringen Eigenanteil zahlen! – kommt Euch das bekannt vor? Genau, diese Versprechungen gab es vor 12 Jahren auch bei der RTW. Etwa 95% sollten durch Fördermittel von Bund und Land finanziert werden, für Neu-Isenburg wurde ein Anteil 23 Millionen angenommen. Heute liegt der Anteil der Stadt Neu-Isenburg bei 46 Millionen, die Kosten haben sich immer wieder erhöht und im letzten Jahr sogar noch verdoppelt, der Bau ist verzögert, weitere Kostensteigerungen wahrscheinlich. Die Kosten der Straßenbahnstrecke bis nach Langen werden heute auf rund 170 Millionen Euro geschätzt, der Anteil für Neu-Isenburg läge laut Studie bei 8,6 Millionen. Wie die Finanzierung gestaltet werden soll, ist noch völlig unklar. Genauso unklar ist, welche Maßnahmen letztendlich gefördert werden, besonders, wenn es um die Neugestaltung der Straße geht. Je nach späterer Vertragslage können für uns auch Kosten durch den Betrieb der Bahn entstehen.
Fazit: Vielleicht kriegen wir eine günstige Bahn. Vielleicht aber auch ein neues Millionengrab. Hier sollte die Stadt unbedingt aus den Erfahrungen bei der RTW-Finanzierung lernen und sich Schritte wie den Beitritt zu einer Planungsgesellschaft gut überlegen.
Und was hat es mit North Haverbrook auf sich?
In der Zeichentrickserie ‚Die Simpsons’ wurden schon viele Ereignisse vorweggenommen, die tatsächlich eingetroffen sind. Dazu gehört die Präsidentschaft von Donald Trump, die COVID-Pandemie, Smartwatches und das Higgs-Boson-Teilchen. In der Episode ‚Marge vs. The Monorail‘ gibt es Parallelen zur Einführung von neuen Verkehrssystemen wie einer Straßenbahn.
Die Stadt Springfield erhält eine großzügige Spende und die Stadt entscheidet, das Geld für ein neues öffentliches Projekt zu nutzen. Während einer Bürgerversammlung überzeugt ein windiger Verkäufer namens Lyle Lanley die Bewohner davon, das Geld in den Bau einer Monorail, einer Einschienenbahn, zu stecken. Sein Vorschlag wird mit einem mitreißenden Lied präsentiert, das alle begeistert. Die Bahn wird schlampig gebaut und alles endet beinahe in einer Katastrophe.
In der Geschichte nennt der betrügerische Verkäufer während seiner Präsentation humorvoll die Orte North Haverbrook und Ogdenville, die angeblich durch seine Monorail „aufgeblüht“ sind – in Wirklichkeit sind sie völlig verlassen und heruntergekommen.
Die Simpsons-Episode zeigt satirisch, wie große Infrastrukturprojekte auf überzogenen Versprechungen basieren können, während die Realität oft komplexer und widersprüchlicher ist und der tatsächliche Nutzen die Akzeptanz der Bevölkerung voraussetzt. Hier lohnt sich ein Blick über die Stadtgrenze hinaus, denn es gibt zahlreiche vergleichbare Projekte, deren Umsetzung wir uns direkt vor Ort anschauen können.
Und das haben wir getan.
Beispiele für Straßenbahnprojekte aus der Umgebung
Mainz
Die Mainzelbahn in Mainz wurde 2016 nach zweieinhalb Jahren Bauzeit in Betrieb genommen. Tatsächlich entwickelte sie sich auch schnell zu einem Fahrgastmagneten und die Nutzerzahlen übertrafen sogar die Erwartungen. Das führte anfangs zu starker Überfüllung und zu Verspätungen. Die Verbindung zwischen Hauptbahnhof und Universität führte aber langfristig zur Entlastung des vorher stark frequentierten Busverkehrs.
Nicht so schön: Anwohner klagten über Quietschen, Rumpeln und über Erschütterungen, was vor allem nachts störte. Der engere Raum auf der Fahrbahn führte besonders auf der Saarstraße zu mehr Stau, viele Autofahrer wichen auf Nebenstraßen aus. Während der verhältnismäßig langen Bauzeit kam es zu erheblichen Verkehrsbehinderungen und zu Umsatzeinbußen bei den Einzelhändlern und Restaurants. Anwohner beklagten sich über den Baustellenlärm. Außerdem wurden die geplanten Baukosten um einen zweistelligen Millionenbetrag überschritten.
Wir waren zufällig am ‚0-Euro-Samstag‘ da und konnten kostenlos mit der Bahn fahren. Das war gut, den an unserer Starthaltestelle war kein Ticketautomat zu finden. Wir hätten die App installieren und Kreditkarteninformationen hinterlegen können, aber das hätte sich für 1-2 kurze Fahrten kaum gelohnt. Auch in Neu-Isenburg wird sicher nicht an jeder Haltestelle ein Automat aufgestellt und somit könnten nur Besitzer einer Dauer-Fahrkarte oder App-Nutzer ganz spontan einsteigen. Wir befürworten natürlich die digitale Lösung mit der App, doch die Erfahrungen mit dem Hopper haben gezeigt, dass die Installation nicht nur für Senioren gelegentlich ein Hindernis darstellt. Das sollte bei der Planung berücksichtig werden.





Braubachstraße Frankfurt
Die sehr schöne Braubachstraße liegt in der Frankfurter Innenstadt und präsentiert ein vielfältiges Angebot an Gastronomie, Galerien und kleinen Läden. Wer ausprobieren möchte, wie sich ein Besuch im Straßencafé mit vorbeifahrender Straßenbahn anfühlt, ist hier richtig.
Ähnlich wie in Mainz verdrängte auch in hier die Straßenbahn den Autoverkehr in die umliegenden Straßen. Dauerhafter Lärm und Vibrationen werden teilweise als störend empfunden – ein Problem nicht nur für Anwohner, sondern auch für historische Gebäude. Grundsätzlich ist die Braubachstraße aber auch eine sehr belebte Straße, wer gerne ruhig wohnt, wird nicht hier hinziehen. Das führt wieder zu der Frage vom Anfang: Wie lebendig hätte wir unsere Frankfurter Straße eigentlich gerne? Aktuell freuen sich die Anwohner schon über eine sehr geringe Lärmreduzierung durch Tempo 30. Mehr Außengastronomie gefällt in der Regel allen außer den Anwohnern. Hier muss das richtige Maß gefunden werden, vor allem aber müssen wir uns endlich auf gemeinsame Ziele verständigen.
Zu unserer Frankfurter Straße hat die Braubachstraße einige Parallelen. Beide Straßen sind ähnlich breit und bieten keinen Platz für zusätzliche Fahrradwege, Autos teilen sich den Raum mit der Straßenbahn. Im Gegensatz zur Frankfurter Straße ist die Braubachstraße jedoch touristisch interessant – sie führt direkt am Römer, an der Paulskirche und am Museum für Moderne Kunst vorbei. Die verbesserte Anbindung dieser Ziele an den ÖPNV ist praktisch und stärkt Gastronomie und Einzelhandel in diesem Fall eher.




Darmstadt Arheilgen
Zu unserer Studienzeit führte der Weg für unsere VW Käfer und Golfs von der A661 nach Darmstadt direkt durch Arheilgen. Seit mehr ca. 25 Jahren wird der Autoverkehr an dem Stadtteil vorbeigeleitet, die innerörtlichen Haltestellen wurden barrierefrei ausgebaut und die Fahrbahn abschnittsweise verengt. Seitdem haben wir die Hauptstraße in Arheilgen nicht mehr gesehen – bis jetzt! Um uns anzuschauen, was sich verändert hat, sind wir hingefahren und haben mit Anwohnern gesprochen.
Erkenntnis: Es ist ruhig geworden im kleinen Stadtteil. Im positiven und im negativen Sinne. Das ÖPNV-Angebot hat sich für die Anwohner verbessert und eine Entlastung durch den Autoverkehr ist spürbar eingetreten. Das Einzelhandelsangebot ist parallel dazu allerdings ebenfalls zurückgegangen, immer mehr Geschäfte haben geschlossen.





Was bedeutet das für die Beurteilung des Projekts?
Unsere Beispiele zeigen, dass Straßenbahnen zwar viele Vorteile bieten, aber ohne sorgfältige Planung und Einbindung der Anwohner zahlreiche Probleme entstehen können. Letztlich hängt der Erfolg davon ab, ob Projekte realistische Lösungen bieten oder nur auf Prestige abzielen.
Zusammenfassend können wir sagen, dass eine Straßenbahn – neutral betrachtet – folgenden Mehrwert bringt: Sie ist umweltfreundlicher, verbessert das ÖPNV-Angebot und damit auch die Attraktivität der Stadt insgesamt als Wirtschaftsstandort. Für die Frankfurter Straße jedoch gibt es einige Risiken: Der Lärm und die Vibrationen können für die Anwohner zum Problem werden, Fahrradfahren wird gefährlicher und Verkehr kann sich in umliegende Straßen verlagern. Die Auswirkungen auf den Einzelhandel sind unklar und wurden bisher nicht untersucht. Und das Projekt könnte finanziell aus dem Ruder laufen.
Wichtig ist, dass wir bei einer Entscheidung all diese Aspekte berücksichtigen und nicht nach rein ideologischen Gesichtspunkten entscheiden. Wir sollten ergebnisoffen diskutieren und auch die Anwohner und Einzelhändler einbeziehen. Veränderungen in der Stadt ganzheitlich zu betrachten, sollte für Politik und Verwaltung zur Selbstverständlichkeit werden.
[Kati Conrad, Oliver Hatzfeld]
Dieser Artikel wurde ursprünglich veröffentlicht in der Stadtillustrierten ‚Isenburger‘, Ausgabe März 2025.
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