Stadtumbau: Können wir das schaffen?

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„Ja, wir schaffen das!“ würde uns Bob der Baumeister antworten. Er hätte gut zu tun, denn wirft man einen Blick auf die geplanten Großprojekte, müsste Neu-Isenburg eigentlich bald eine einzige große Baustelle sein. Da wären das gerade noch entstehende Stadtquartier ‚Neue Welt’ auf dem ehemaligen DuPont-Gelände, die Regionaltangente West (RTW) und die damit verbundene Umgestaltung der Carl-Ulrich-Straße/Friedhofstraße vom Bahnhof bis ins Birkengewann, der Umbau der Hugenottenhalle zu einem Kultur- und Bildungszentrum, die barrierefreie Pflasterung des Alten Ortes…und auch für die Verlängerung der Straßenbahn entlang der gesamten Frankfurter Straße wurden gerade die optimistischen Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie vorgelegt. 

Im Bauausschuss (der eigentlich Ausschuss für Bau, Planung, Umwelt, Verkehr und Stadtentwicklung, kurz BPUVS heißt), kam nun noch etwas mehr dazu. Für mich, Kati, war es die erste Sitzung als beratendes Mitglied in diesem Ausschuss für unsere Fraktion DIE YSENBURGER!, und ich hatte eine kurze, unspektakuläre Tagesordnung erwartet – mitten in den intensiven Haushaltsberatungen und kurz vor der Weihnachtspause. Doch es sollte anders kommen.

Bebauung des Geländes um den alten Güterbahnhof

Ja, Ihr habt richtig gelesen. In dem bisher runtergekommenen Bereich zwischen ehemaligem Güterbahnhof und dem Kreisel mit dem Eisenbahnwaggon soll endlich etwas Neues entstehen. Bisher sehen wir dort das seit vielen Jahren leerstehende Bahnhofsgebäude (vormals Kunstbahnhof), die verblasste, leerstehende Spielothek und eine große Brachfläche, die bei Regen zur Riesenpfütze wird. Entstehen soll dort ein urbanes Quartier mit Wohnungen, kleinen Läden und Gastronomie. Außerdem ein kleiner Quartiersplatz.

Die Neugestaltung dieses für das Stadtbild wichtigen Grundstücks begrüßen wir sehr. Es stellt eine Verbindung der ‚Neuen Welt‘ mit der Carl-Ulrich-Straße und mit der Frankfurter Straße dar. Der unter Denkmalschutz stehende alte Güterbahnhof bleibt erhalten. Hier würden wir uns für die spätere Nutzung wieder eine Verbindung zu Kunst und Kultur wünschen, um an den damaligen Kunstbahnhof zu erinnern. Denkbar wäre Gastronomie mit Ausstellungsflächen oder auch Ansiedlung der Kreativwirtschaft mit Agenturen und Atelierräumen. 

Etwas kritisch sehen wir die Art der Bebauung in Form eines mehrgeschossigen Riegels. Hier wurde zwar darauf geachtet, die Gebäude in Höhe und Tiefe zu variieren, so dass kein Klotz entsteht. Dennoch: Die RTW wird unsere Stadt mit der Schiene in zwei Teile zerschneiden. Ein langer, hoher Gebäudekomplex unterstreicht diese Teilung und wir haben in der Sitzung angeregt, etwas mehr auf Transparenz zu setzen und Sichtachsen entstehen zu lassen. Witzig ist, dass durch das lange, keilförmige Areal in Richtung Kreisel eine Art ‚Isenburger Flat Iron Building‘ entsteht. Unsere Stadt erinnert mit ihren streng rechtwinkligen Straßen ohnehin schon etwas an Manhattan – und die Bügeleisenform zitiert auch noch einen für Neu-Isenburg typischen Beruf: Vor rund 130 Jahren gab es hier 80 Wäschereien, der erste Arbeiterinnenstreik in Deutschland, der Wäscherinnenstreik von 1897, fand hier statt.

Pläne und Skizzen zum Projekt findet Ihr in der Drucksache im Ratsinfosystem.

Aber das war‘s noch nicht. Geplant ist auch:

Neuer Wohnraum in der Bahnhofstraße

Auf der nördlichen Seite der Bahnhofstraße und westlich der Kurt-Schuhmacher-Straße (so beschreiben angeblich hauptsächlich Männer eine Position, während Frauen eher sagen würden: ziemlich weit Richtung Bahnhof, etwa auf der Höhe des großes Rewe-Markts) sollen Wohngebäude mit einem in der Mitte liegenden Quartiersplatz, der an die Bahnhofstraße grenzt, entstehen. Angedacht sind auch Räume für eine Physiotherapie-Praxis, ein Restaurant oder Café sowie für einen Pflegedienst. Auf dem zu bebauenden Areal befinden sich aktuell Garagen. Für den benötigten Parkraum soll stattdessen eine Tiefgarage entstehen. Die Fassade des bereits existierenden Hochhauses soll neu gestaltet und begrünt werden. Ihr könnt hier die Drucksache dazu anschauen (mit Skizzen).

Dass der unschöne Platz mit den Garagen verändert wird, ist natürlich erstmal eine gute Idee. Aber wie werden sich mehr Bewohner und weniger Parkplätze auf die umliegende Infrastruktur auswirken? Da junge Familien die Zielgruppe für die geplanten 80 Wohnungen sein sollen, fragten wir nach Kitaplätzen. Räume für Kinderbetreuung sind aktuell aber nicht vorgesehen, es wurde auf die bestehende Kita in der Kurt-Schumacher-Straße verwiesen. Wer zuvor eine Garage hatte, soll nun in der Tiefgarage parken, nach unserer Erfahrung werden solche Stellplätze aber nicht gut angenommen. Parkplätze werden lieber auf der Straße gesucht. Hier erklärte das Planungsbüro uns aber, dass nach ihrer Erfahrung neue, moderne, helle Tiefgaragen sogar beliebter sind als Garagen oder Stellplätze im Freien. Wir sehen das insgesamt kritisch, sind aber bereit, uns umstimmen zu lassen, wenn die Ergebnisse der geplanten Untersuchung zu den infrastrukturellen Auswirkungen positiv ausfallen.

Die beiden neuen Bauprojekte werden von privaten Investoren realisiert und belasten den städtischen Haushalt nur mit den daraus entstehenden Kosten für die Infrastrukturerweiterung. Ganz anders sieht es mit dem Antrag aus, der als Tischvorlage – also als Dokument, das ganz kurzfristig reinkommt und von den Meisten vorher noch nicht gelesen oder in der Fraktion besprochen wurde – zu uns in den Plenarsaal flatterte.

Es handelte sich um nicht Geringeres als den Antrag, der 

Aufstockung des Budgets für die RTW 

um weitere 23 Millionen (nur Anteil Neu-Isenburg!) zuzustimmen. Sehr, sehr kurzfristig, denn die Forderung der RTW-Gesellschaft ist seit September bekannt. Wir hatten mit unserer Fraktion bereits zur letzten Stadtverordnetenversammlung den Antrag eingebracht, aus der Gesellschaft auszusteigen und nur noch über die Kreisumlage an der Finanzierung beteiligt zu bleiben. In der nun vorliegenden Drucksache wird vorgeschlagen, der Erhöhung zuzustimmen – unter der Bedingung, dass die Stadt Neu-Isenburg von der zuständigen Aufsichtsbehörde eine Genehmigung zur Erhöhung der Umlageverpflichtungen und zur Abweichung von Haushaltsregeln bekommt. Als Alternative wird vorgeschlagen, die für den Straßenbau entlang der neuen Schienen eingeplanten Mittel durch Neuplanung zu reduzieren oder über mehrere Haushaltjahre als bisher zu strecken.

Mit der Verschiebung der Zahlungsverpflichtungen wird die finanzielle Notlage allerdings nur fortgeschrieben und damit die Zukunft Neu-Isenburgs aufs Spiel gesetzt. Beim Straßenbau müsste schlimmstenfalls ein mit Fraktionen und Bürgern zeitaufwändig erarbeiteter Konsens aufgegeben und nochmal ganz neu verhandelt werden. Wir halten daher den Ausstieg aus der RTW-Planungsgesellschaft und damit die Finanzierung über den Kreis, wie es beispielsweise für Dreieich geschieht, nach wie vor für die beste Lösung. Hierzu folgt ein ausführlicherer Artikel.

[Kati Conrad, Oliver Hatzfeld, Fotos: Kirsten Delrieux]

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