Richtig nutzen und richtig schreiben

Ein heißer Sommerabend im Juli…was gibt es Schöneres, als ihn im Rathaus zu verbringen!

Tatsächlich ließ es sich mit der Klimaanlage im Plenarsaal deutlich besser aushalten als zu Hause oder draußen in der prallen Sonne. Geladen waren wir zur letzten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung vor der Sommerpause.

Die komplette Tagesordnung und alle Unterlagen dazu könnt Ihr hier anschauen. Wir möchten Euch von zwei Themen berichten, die uns besonders beschäftigt haben.

Beim ersten Thema ging es um

Die Benutzung der städtischen Veranstaltungsorte

In der ‚Benutzungs- und Entgeltordnung für die Räume und Einrichtungen der Kommunikationszentren der Stadt Neu-Isenburg‘ wird festgelegt, wer die städtischen Zentren Hugenottenhalle, Rosenauplatz, Bürgerhaus Zeppelinheim, Stadtmuseum Haus zum Löwen, Haus der Vereine, JUZ Gravenbruch und Stadtteilzentrum West zu welchen Konditionen nutzen darf. Anlass für eine Änderung war die Großveranstaltung der AfD Anfang Februar in der Hugenottenhalle, bei der es zu einer friedlichen Demonstration mit rund 10.000 Menschen, leider aber auch zu Vandalismus kam. Wir YSENBURGER! sehen hier zwei Punkte als kritisch an:

Im §1, Absatz (4)a heißt es:

(4) Besondere Regelungen gelten für folgende Einrichtungen:
a. Hugenottenhalle: Überregionale politische Veranstaltungen (z.B. Wahlkampfveranstaltungen von Bundes-/ oder Landesverbänden) sind von der Nutzung der Hugenottenhalle ausgeschlossen, es sei denn, die Partei kann dem Vermieter durch Vorlage von geeigneten Dokumenten nachweisen, dass ihr die Anmietung einer anderen Halle trotz intensiver Bemühung nicht gelungen ist.

Die Idee, die Hugenottenhalle nicht mehr für überregionale politische Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen, halten wir für problematisch. Das Interesse an Politik in der Gesellschaft schwindet immer mehr und wir finden, es muss dafür einen Platz in Neu-Isenburg geben. Bürger müssen sich informieren können, um sich eine Meinung zu bilden, das ist ein ganz zentraler Bestandteil unserer Demokratie. Außerdem lässt sich diese Regelung auch noch umgehen, indem dann eben der Ortsverband der jeweiligen Partei offiziell als Gastgeber fungiert. Kurz: Die AfD Neu-Isenburg würde dann Alice Weidel einladen, nicht die Bundespartei.

Wirklich unsinnig finden wir die Regelung, dass Veranstaltungen dann trotzdem stattfinden dürfen, wenn eine Partei nachweisen kann, nichts anderes gefunden zu haben. Das hat unserer Ansicht nach genau den Effekt, den wir eigentlich verhindern wollen: Gerade die Veranstaltungen, bei den Ärger droht – Demos, Tumulte, Sachbeschädigung – werden keine Mühe haben, eine große Sammlung von Absagen vorzulegen. Genau die müssen wir dann aber mit dieser Regelung nehmen, während friedliche Veranstaltungen, über die sich Bürger vielleicht freuen würden, künftig in Dreieich stattfinden, oder in Urberach oder Mainhausen.

Wir, die Fraktion DIE YSENBURGER!, haben deshalb beantragt, den Absatz 4a des §1 komplett zu streichen. Dafür erhielten wir auch Zustimmung aus einigen Oppositionsparteien. Mit der Mehrheit der Koalition aus CDU, Grünen und Freien Wählern wurde das jedoch abgelehnt. Das überrascht, denn noch im Februar, als der Bürgermeister nach der AfD-Veranstaltung in Erwägung gezogen hatte, die Hugenottenhalle für alle politische Veranstaltungen zu sperren, schrieb die CDU-Fraktion in ihrem Blogartikel „Demokraten raus aus der Huha?“:

„Jetzt allen demokratischen Parteien zu verbieten, die Hugenottenhalle nutzen zu dürfen, ist das völlig falsche Signal. Gerade in diesen Zeiten müssen die demokratischen Parteien der Mitte Präsenz zeigen. Und das soll ausgerechnet in der Hugenottenhalle nicht mehr möglich sein? Damit hat der Bürgermeister dem öffentlichen Diskurs einen Bärendienst erwiesen. Wir brauchen den Austausch von Meinungen und Informationen in der Öffentlichkeit, und das auf jeden Fall auch weiterhin der Hugenottenhalle.“ (Quelle: cdufraktionni.de)

Zur Stadtverordnetenversammlung hatte die CDU es sich offenbar anders überlegt – legitim, aber aus unserer Sicht ein Schritt in die falsche Richtung – weg von der Demokratie.

Und noch eine weitere Passage war uns aufgefallen. Im §7 wird festgelegt, wer die Halle zu Sonderkonditionen nutzen darf. Im Vorschlag heißt es „Vereine, Ortsverbände der Parteien, gemeinnützige Institutionen“ usw. Hier fiel uns als Nicht-Partei auf, dass das nicht nur uns YSENBURGER!, sondern auch die Freien Wähler und eventuell zukünftige Wählergemeinschaften von der vergünstigten Nutzung ausschließen würde. Wir sind der Meinung, alle im Parlament vertretenen Fraktionen sollten die gleichen Rechte haben – unabhängig davon, ob sie als Partei organisiert sind, oder nicht. Wir haben deshalb folgende Änderung (fett) vorschlagen:

§ 7 Sonderregelung für Vereine, Parteien, gemeinnützige Institutionen und Körperschaften, Schulen und Einrichtungen: Vereine, Ortsverbände der Parteien, Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung, Wählergemeinschaften, gemeinnützige Institutionen und Körperschaften (z.B. gGmbH), Schulen und soziale Einrichtungen dürfen eines der Kommunikationszentren für eine Veranstaltung im Jahr grundmietfrei nutzen, sofern sie in der Stadt Neu-Isenburg ansässig sind.

Auch hier erhielten wir Zustimmung der anderen kleinen Fraktionen – die Koalition aus CDU, Grünen und den (selbst betroffenen) Freien Wählern lehnte die Änderung ab, die SPD ebenso.

Mit diesen beiden Ablehnungen wurde beschlossen, dass die Hugenottenhalle politisch nun nicht mehr offen für die Interessen aller Bürger ist. Wir denken, Demokratie sollte verschiedene Meinungen und auch mal unangenehme Auseinandersetzungen aushalten können. 

Um unser historisches Zentrum demokratischer Auseinandersetzungen geht es im nächsten Thema: um den Alten Ort. Genauergesagt um…

Die Beschilderung historischer Straßennamen im Alten Ort

Beim zweiten Thema, von dem wir berichten wollen, geht es um unsere Stadtgeschichte. Auf Anregung der Vereins ‚Pour L‘Yseboursch‘ wurde von der Stadtverwaltung ein Vorschlag erarbeitet, wie die historischen Straßennnamen aus der hugenottischen Gründerzeit im Alten Ort präsentiert werden könnten. Ergebnis: Es sollen Schilder mit den Französischen Namen unter den bestehenden Straßenschildern in den 8 Gassen und Gässchen angebracht werden. Doch schon bei der ersten Durchsicht der Drucksache bekamen wir einen Schreck: Wir fanden Rechtschreibfehler oder grammatikalische Fehler bei 6 der 8 Straßennamen. Das muss dringend mit der (korrekten) Version von Pour L’Yseboursch abgeglichen und korrigiert werden. Ebenso sollte in Zusammenarbeit mit Stadtarchiv und Stadtmuseum geprüft werden, ob alle Bezeichnungen so auch wirklich historisch korrekt sind.

Auch zur Gestaltung hatten wir Anmerkungen. Die verwendete Schrift ‚Lucida’ hat keinen historischen Bezug. Sie ist eine Windows-Systemschrift aus dem Jahr 1984, die im Vorschlag eingesetzte Variante ‚Calligraphy’ stammt aus den 1990er Jahren. Diese moderne Schreibschrift hat nichts mit unserer Stadtgeschichte zu tun und ist aus einer gewissen Entfernung (das Schild hängt recht hoch) nicht gut lesbar. Es gibt Schriften die etwa zur Zeit unserer Stadtgründung entstanden sind oder deren Gestaltungsmerkmale aufgreifen: Diese Schriftfamilie nennt man Barock Antiqua. Hier gibt es auch frei verfügbare Schriften, sogar die (ebenfalls Windows-Systemschrift) Times New Roman gehört zu dieser Schriftfamilie. Da für unsere bestehenden Straßenschilder im Alten Ort die moderne DIN-Schrift verwendet wurde, könnte das auch bei dem Zusatzschild aufgegriffen werden – eventuell auch eine Kombination mit dem Ortsnamen in „alter“ und der Erklärung in „moderner“ Schrift. Die Beschäftigung mit der Schriftart scheint vielleicht nebensächlich, aber unser Alter Ort hat einen denkmalgeschützten, streng geometrischen Grundriss, der alle Merkmale einer barocken Planstadt aufweist, und wir sollten die Schilder dann auch stilecht umsetzen.

Schließlich wurden dann in der Drucksache blaue Emaillieschilder vorgeschlagen. Nicht nur ist die Emaille-Ausführung in der Regel die teuerste (es gibt auch bedruckte/beklebte Schilder mit Schutzlack) – diese Art von Straßenschildern kam auch erst im 19. Jahrhundert auf. Unsere bestehenden Schilder sind weiß mit der modernen DIN-Schrift, das passt nicht zum blauen Emaille. Auch hier denken wir, dass das Material entweder mit Bezug zur Stadtgeschichte oder passend zu den modernen Schildern gewählt werden sollte. Idealerweise gelingt sogar beides.

Schon in der Ausschuss-Runde vor der Stadtverordnetenversammlung war uns aufgefallen, dass diese Drucksache nur im Haupt-, Finanz- und Digitalisierungsausschuss gelandet war, nicht aber im Kulturausschuss (KUSPOEV), in den eine solche Diskussion eigentlich gehört. Es gelang uns, die Drucksache noch in den korrekten Ausschuss zu bringen und unsere Anmerkungen dort vorzutragen. Bürgermeister Hagelstein sicherte daraufhin dort und auch in der Stadtverordnetenversammlung eine Überarbeitung des Vorschlags zu und es kann weitergehen mit dem Projekt – auch sehr zur Freude der Vertreter von Pour L‘Yseboursch auf der Tribüne.

Das Parlament macht nun Sommerpause. Wir beide machen Urlaub, werden aber auch fleißig weiterarbeiten. Das gerade zurückliegende Altstadtfest hat uns sehr ermutigt, mit Euch weiterhin im Dialog zu bleiben. Wir wurden so oft angesprochen und hatten tolle Gespräche. Wir sehen uns bald, genießt die Sonne!

[Kati Conrad, Oliver Hatzfeld]

Du betrachtest gerade Richtig nutzen und richtig schreiben