Zwei Themen gestern in der Stadtverordnetenversammlung hatten es in sich – und sie sind inhaltlich auch noch miteinander verknüpft: der Haushalt und die Hugenottenhalle.
Zuerst stellte unser Kämmerer Stefan Schmitt seinen Entwurf für den städtischen Haushalt 2026 vor. Um uns einzustimmen, begann er mit einem Zitat des Kämmerers der Stadt Offenbach, Martin Wilhelm (SPD):
„Noch sind wir im Tal der Tränen: Auch gute Nachrichten sorgen höchstens dafür, dass das Tal nicht ganz so tief ist.“
Und ja, der Haushalt lässt uns nach den Taschentüchern greifen. Er zeigt bei weiterhin hohen Gewerbesteuereinnahmen und trotz Konsolidierungsbemühungen immer noch steigende Kosten. Im ordentlichen Ergebnis schließt er mit einem Defizit von 31 Millionen ab, das nur durch Eingriff in die Rücklagen ausgeglichen werden kann. Eine erneute Erhöhung der Grundsteuer und der Gewerbesteuer soll Abhilfe schaffen – zu Lasten der Bürger.
Folgende Projekte wurden gar nicht erst im Haushalt eingeplant: Der Umbau der Hugenottenhalle und der Stadtbibliothek zu einem Kultur- und Bildungszentrum („Dritter Ort“), der neue Feuerwehrstandort im Westen der Stadt, die Sanierung der Sporthalle im Sportpark, die neuen Umkleiden auf dem Sportplatz Gravenbruch, Investitionen zur kommunalen Wärmeplanung sowie die Mobilitätsstation im Osten der Stadt, ohne die die Nutzung der RTW von Pendlern aus dem Kreis kaum möglich ist. (Zur Erinnerung: der Aufstockung des RTW-Budgets von 23 auf 46 Millionen wurde zugestimmt – gegen alle Einwände aus der Opposition.)
Danach wurde über das weitere Vorgehen beim Umbau der Hugenottenhalle diskutiert (Informationen dazu in unserem Artikel Hugenottenhalle: vom Leuchtturmprojekt zur Betonwüste). Im Gegensatz zu allen anderen Fraktionen distanziert die CDU sich bereits von der Umsetzung des Gesamtprojekts, möchte erstmal nur die Veranstaltungshalle reparieren. Der kulturpolitische Sprecher Joachim Großpersky erklärte, die Bibliothek könne ja jetzt schon ein Dritter Ort werden, es würden ja immer mehr E-Books online ausgeliehen. Bedeutet: Man braucht nicht mehr so viele Bücher und soll einfach ein paar Regale beiseite schieben? Da konnte nicht mal der eigene Koalitionspartner, die Fraktion der Grünen, mitgehen. „Wir stehen weiterhin hundertprozentig hinter dem Umbau“ erklärte Günther Marx und forderte ausdrücklich mehr Kreativität bei der Finanzierung vom Kämmerer, wie beispielsweise eine Kooperation mit der Gewobau oder den Stadtwerken.
Ausweglos oder „Ausweg, los!“
Hier kommen wir wieder zurück nach Offenbach. Kämmerer Stefan Schmitt nahm das Zitat von Martin Wilhelm als Beispiel für die Akzeptanz der Ausweglosigkeit einer Situation – und liegt vollkommen daneben! Finanziell gebeutelt durch den Strukturwandel, Betriebsschließungen und die Nachbarschaft zu Frankfurt hat Offenbach erkannt, dass es unerlässlich ist, in die Zukunft und damit in die Weiterentwicklung und Gestaltung der Stadt zu investieren. Die Wirtschaftsförderung wurde gestärkt und der Standort wettbewerbsfähig entwickelt, neue Unternehmen konnten angesiedelt werden (darunter Lorenz, bis dahin in Neu-Isenburg zu finden). 2023 wurden schließlich sogar Rekordeinnahmen bei der Gewerbesteuer erzielt. Projekte, um die Innenstadt attraktiver zu machen, werden geplant UND realisiert.
„Kreative Finanzierung“ muss nicht im Gefängnis enden!
Unser Kämmerer beschwerte sich bei der Einbringung des Haushalt über die gesetzlichen Pflichtaufgaben, die den Kommunen von Bund und Land auferlegt werden (beispielsweise bei der Kinderbetreuung), ohne ausreichend Mittel dafür zu erhalten. Die Konsequenz ist für Stefan Schmitt: Das ist „höhere Gewalt“, wir können uns nichts mehr leisten. Den Wunsch nach Kreativität tat die CDU mit einem Verweis auf René Benko, der aufgrund seiner „Kreativität“ in Untersuchungshaft sitzt, ab.
Sein Offenbacher Kollege sieht das anders. Er sucht neue Wege. Als erste hessische Kommune gab Offenbach in diesem Jahr sogenannte Green Bonds („grüne Anleihen“) aus. Hier lädt die Stadt Investoren dazu ein, sich an nachhaltigen oder klimafreundlichen Projekten zu beteiligen. Als „grün“ gelten auch besonders energieeffiziente Neubauten. In Köln waren die grünen Schuldscheine im letzten Jahr so erfolgreich, dass sie bereits bei der Einführung dreifach überzeichnet waren. Und auch Offenbach konnte 136,5 Millionen Euro erfolgreich auf dem Kapitalmarkt platzieren. Genau das verstehen wir unter kreativer Finanzierung.
Dritter Ort: Machen ist wie wollen, nur krasser!
Was aber wirklich bemerkenswert ist: Durch das Zitieren von Martin Wilhelm und Offenbach verwies Stefan Schmitt unfreiwillig ausgerechnet auf eine Erfolgsgeschichte in Sachen „Dritter Ort“. Die Stadt Offenbach hatte nach der Kaufhof-Insolvenz das Kaufhaus-Gebäude in der Innenstadt für 12,5 Millionen Euro gekauft und baut es derzeit zu genau dem um, was wir uns in Neu-Isenburg seit vielen Jahren wünschen: zu einer Lern-, Kultur- und Begegnungsstätte mit einer modernen Stadtbibliothek, Makerspace, Flächen für Kultur und Gastronomie. ‚Station Mitte‘ nennt sich das Projekt, der Umbau wird mit rund 25 Millionen veranschlagt und zwischen dem Kauf des Gebäudes (2024) bis zur geplanten Eröffnung (2026) liegen gerade mal zwei Jahre. Der Umbau unserer Hugenottenhalle und Stadtbibliothek wurde bereits 2019 auf den Weg gebracht und ist – wenn er denn überhaupt stattfindet – nicht vor 2032 abgeschlossen.
Offenbach – mit grauen Betonbrücken, die im Nichts endeten einst Negativbeispiel für ganze Busse voller angehender Stadtplaner – entwickelt sich zur modernen, lebenswerten Stadt. Nicht aufgeben und neue Wege suchen – das können wir in Neu-Isenburg doch wohl auch!
Und so möchten wir unseren Artikel ebenfalls mit einem Zitat von Martin Wilhelm schließen:
„Wenn man etwas Neues macht, ist es immer so, dass der Weg nicht ganz so einfach ist.“
[Kati Conrad, Oliver Hatzfeld]
Die schöne Postkarte auf dem Foto gibt‘s bei der Hochdruckzone.